Die Bayern sind gut in Form. Drei Spiele, neun Punkte und ein Torverhältnis von 15:1. Neben dem Fakt, dass Coman in Bochum nach seiner Rotsperre sein Comeback außerordentlich stark feierte, scheint auch – nach den Medienberichten zu Folge – eine Rückkehr vom verletzt ausgefallenen Jamal Musiala perfekt zu sein.
Der unglaublich talentierte Kicker war in den ersten beiden Ligaspielen des Rekordmeisters eine prägende Figur, wenn es darum ging, in den Zwischenlinien aktiv zu sein und das Spiel in mittel- und hohen Zonen fortzutragen.
Um ein realistisches Szenario zu beleuchten, ist ein Vergleich des Ligaheimspiels am zweiten Spieltag gegen den VfL Wolfsburg am sinnigsten.
Wolfsburg ging von der Grundstatik, eine Idee an, die viele Auswärtsmannschaften in München ähnlich angehen werden. Mittelfeldpressing, um Kompaktheit bemüht und auf Umschaltspiel (Konterspiel) hinaus.
Wie der FCB das gegnerische Mittelfeldzentrum riss, welche Probleme dabei der Elf von Niko Kovac aufkamen, und welche Lehren Gladbach daraus ziehen sollte, findet ihr hier –
Eine Analyse von Deniz (@DenizimHalbraum).
Abstoß: Aufbau FC Bayern München
– Flache Viererkette (Pavard, Upamecano, Hernandez, Davies) + zwei Sechser in Halbräumen (Kimmich, Sabitzer)
– Ballnaher Zehner (Musiala) in der Schnittstelle im Halbfeld, diagonal zu Sabitzer, vertikal zu Hernandez
– Ballferner Zehner (Müller) rückt ins Zentrum ein, während beide Stürmer (Gnabry und Mane) auf die Flügel weichen
Wolfsburg lief mit Nmecha und Marmoush an, während Arnold und Wimmer mannorientiert die Doppel-Sechs zustellten.
Ging der Angriff auf einer beliebige Seite los, presste der ballnahe Stürmer (Nmecha) den ballführenden IV (Hernandez), während der ballnahe Zehner (Arnold), mit Sprung auf den AV (Davies) presste. Der ballferne Zehner (Wimmer) presste den ballnahen Sechser (Sabitzer) des FCB.
Das Problem hier war: Der ballnaher Zehner (Musiala) konnte in der vertikalen Linie eigentlich von Hernandez gefunden werden, weil Arnold sich von Davies auf die Flügel locken ließ (öffnete den Halbraum). Kein Wolfsburger konnte mit Musiala mitgehen, Baku war zwar der nahestehe Spieler, wollte aber vom Flügel nicht weichen, um den Rücken nicht frei zu geben (Stürmer orientierten sich breit).


Als Bayern sich auf der anderen Seite das Zuspiel zum ballnahen Zehner getraut hatten, wurde es danach gefährlich.
Svanberg presste Pavard, der spielte zu Müller, damit er wiederum zu Mane passte, um den Ball abzuschirmen.
Auf den Flügel entstehen direkte Eins-gegen-Eins Duelle. Durch Manes Spiel, wurde LV van de Ven aus der Kette gezogen und durch Müllers dynamische Besetzung in letzter Linie, entstand dort mit dem ursprünglichen ballfernen Zehner (Musiala) und dem ballfernen Stürmer (Gnabry) Gleichzahl.
Bayern bekam in Person von Sabitzer das Duell gg Wimmer aufgelöst. Probleme entstanden dann in den tiefen Halbräumen.
Wolfsburgs einziger Sechser wurde durch Müller raus gezogen, Svansberg presste Pavard hoch, Arnold wich zum ballfernen Sechser, sodass dieser die weiten Wege in der gegnerischen Hälfte gar nicht zulaufen konnte.
Musiala stand im beschriebenen Halbraum und konnte das Drei-gegen-Drei einleiten.
Davies konnte den Freiraum nutzen und Zwei-gegen-Eins Überzahl im letzten Drittel erzeugen.


Die Probleme liegen also auf der Hand:
Die Zwischenlinien werden durch die klare Mannorientierungen von den Wolfsburgen aufgegeben, weil die Münchener durch ihre beiden Zehner für Überzahlsituationen sorgen, somit oft ein freier Fuß (meist durch den ballfernen Zehner) gefunden werden konnte.
Guilavogui, Wimmer und jeweils der ballnahe Achter (Arnold oder Svanberg) agierten während der 90 Minuten in ständigen Mannorientierungen. Durch die Besetzung von Kimmich, Sabitzer und Müller/Musiala wurden diese eben gebunden, kam der ballferne Zehner (meist Musiala, weil oft über Upamecano aufgebaut wurde) in die Zwischenlinien, so konnte dieser meist von Upamecano, oder teils von einem der Sechser gefunden werden.
Open play: Aufbau FC Bayern München
– Asymmetrie in der Kette: Pavard auf einer horizontalen Linie mit Upamecano und Hernandez, Davies hochgerückt in der Linie zwischen der Doppel-Sechs und Doppel-Zehn, teils auf einer Linie mit dieser
– Ballnaher Zehner im Halbfeld, ballferner rückt ins Zentrum ein
– Stürmer schwimmen zwischen Innen- und Außenverteidigern, geben aber auch Breite, durch äußere Positionierungen neben den Außenverteidiger

Wolfsburgs Pressingstruktur: Tannenbaumsystem
– Wolfsburgs Grundordnung im Tannenbaumsystem: 4-3-2-1
– Offensivspieler Marmoush und Wimmer agierten mannorientiert gegen Bayerns Doppel-Sechs, während Guilavogui und der ballferner Achter (i. d. F. Arnold) ballfernen Bayern-Zehner mannorientiert zustellten.
– Ballnaher Achter (Svanberg) presste Außenverteidiger bei Zuspiel.
Wolfsburgs Probleme in der zweiten Linie
Im tiefen Block hatte der VfL zwar eine gute Mannorientierungsstruktur gegen die Sechser, die sich selten aufdrehen konnten und meist sofort auf die Innenverteidiger klatschen ließen, stattdessen hatten die Gäste Schnittstellen-Probleme in ihrer zweiten Linie. Dessen horizontale Kompaktheit wurde durch das Ziehen auf den Außen der Bayern genommen. Arnold presste Davies, Guilavogui konnte das Zentrum nicht freigeben und Svanberg hatte die Aufgabe Müller ballfern zuzustellen.
Das gab Musiala immer wieder Möglichkeiten im Halbraum angespielt zu werden, meist von den Innenverteidigern, sodass dieser dort direkte Eins-gegen-Eins-Duelle wieder fand. Musialas brillante Vororientierung, Athletik und Beweglichkeit werden in jedem Spiel dafür sorgen, dass diese Duelle mit großer Wahrscheinlichkeit gewonnen werden.


Sabitzers Abkippen
Nach 15 Minuten veränderte Nagelsmann ein wenig die Struktur der Sechser, um der dichten Mannorientierung im Zentrum auszuweichen, sodass diese Zonen größer gezogen wurden.
Sabitzer zog Wimmer also mit, dadurch konnte Davies höher schieben, als dieser angespielt wurde, presste Baku ihn und Wolfsburg zog sich auf den Außen zusammen.
Die Folge war, dass der FCB nun dynamisch mit einem Pass von Sabitzer verlagern konnte, ohne den Umweg über Hernandez zu gehen.
Direkte Verlagerungen helfen besonders gegen horizontale kompakte Teams.

Sabitzer zog Wimmer also mit, dadurch konnte Davies höher schieben, als dieser angespielt wurde, presste Baku ihn und Wolfsburg zog sich auf den Außen zusammen.
Die Folge war, dass der FCB nun dynamisch mit einem Pass von Sabitzer verlagern konnte, ohne den Umweg über Hernandez zu gehen.
Direkte Verlagerungen helfen besonders gegen horizontale kompakte Teams.
So wurde bspw. Arnold extrem raus gezogen, Guilavogui musste die Löcher stopfen, die Bournaw aufgab, während Svanberg ballfern isoliert war.
Besonders Arnold hatte im Spiel extreme Wege zu gehen, die er nicht schließen konnte. Musiala startete diagonal hinein und konnte die Dynamik nach Zuspiel von Upamecano nutzen, und die breiten Stürmer einsetzen (Gnabry über die Außen, der legt rüber zum zweiten Pfosten, Mane trifft – aber Abseits).


Musialas Zwischenlinienpräsenz
Julian Nagelsmann besetze im tiefen Aufbau den ballnahen Flügel doppelt. Zum einen sollte dadurch die zweite Wolfsburger Linie breit gezogen werden (Svanberg presste Pavard) und die letzte Kette ebenso (LV van de Ven stellte Gnabry zu). Wichtig sind ebenfalls die Positionen von Müller im Halbraum, der a) Guilavogui band und b) ihn vom diagonalen Passfenster weg hielt, sowie Manes, der ein mögliches Ausbrechen von Bournaw auf Musiala verhinderte.

Wie kann Gladbach effektiv verteidigen?
Die Grundidee von Niko Kovac und dessen Tannenbaumstruktur war keine schlechte, allerdings in der Theorie zu stark auf Mannorientierungen gebaut. Für Ballbesitzorientierte Teams, wie dem FCB, der zusätzlich eine sehr starke individuelle Qualität hat, sind solche Fälle im Laufe der Partie zu lösen.
Zu stark, wurden die Probleme in der horizontalen zweiten Linie mit Svanberg, Guilavogui und Arnold.
Welche Ideen kann Gladbach dagegen haben?
In den ersten Spielen war zu erkennen, dass BMG im Anlaufen natürlich ebenfalls teils auf einzelne Mannorientierungen setzt (logisch, wen decke ich sonst, außer meinen Gegner, wenn ich nur im Raum stehe?); deutlich wird aber, wie die Fohlen im mitteltiefen Block gerne im 4-2-3-1 in Raumorientierungen verschieben.
Pressingstruktur BMG gegen das Aufbauspiel der Bayern im Abstoß: 4-1-2-2-1

In der Theorie und in der Möglichkeit, dass der FCB ebenfalls aus einer flachen Viererkette vom Abstoß weg eröffnet, käme ein 4-1-2-2-1 in Frage.
Wichtig wird das Zentrum sein (5€ ins Phrasenschwein; wann auch nicht?), dass besonders keiner der Zehner im Bayern 4-2-2-2 gefunden werden kann. Sind die halbwegs aus dem Spiel, dürfen im Umkehrschluss die Sechser keinen freien Fuß finden.
Gegen eine 1-2 Staffelung in der zweiten und dritten Linie und dem kompakten ballfernen Verschieben des ballfernen Flügels (i. d. F. Hofmann), gäbe es in der Theorie eine 5-gegen-4-Überzahlsituation.
Thurams Aufgabe wäre die reine mannorientierte Zustellung von Kimmich, kein Pressingvorgang auf einen der Innenverteidiger; denn löst sich Thuram von Kimmich, kann dieser durch einfaches Spiel über den Dritten-Muster (z. B. spielt Upamecano einen Pass zu Müller, der lässt auf Kimmich klatschen) gefunden werden.
Der ballnahe Flügelspieler (i. d. F. Plea) würde aus dem Halbraum heraus pressen können, wenn Pavard den Ball in tiefen Zonen erhält.
Die Gefahr besteht dabei, dass Müller sich zusätzlich auf die Flügel fallen lässt und Neuhaus mitzieht, ggb. zieht Kimmich nach und versucht den Zwischenraum zu besetzen.
Kramers Positionsspiel und Gefühl für das Ausbrechen wäre hier gefragt, der Kimmich aufnimmt. Durch die 5-gegen-4-Überahlsituation wäre das Wegbrechen von Neuhaus, und das Aufnehmen von Kimmich im 4-gegen-4 keine wünschenswerte (Erinnere an die individuelle Qualität der Spieler im Eins-gegen-Eins), aber eine, die je nach Situation (Wen treffe im Zweikampf? Lieber Kimmich, als Musiala) eine Chance sein kann.
Hohe Außenverteidiger der Bayern

Eine ebenso logische Konsequenz wäre, dass Nagelsmann beide Außenverteidiger hochschiebt.
Wenn Thuram nicht presst, und Plea, sowie Hofmann nur verschieben, wieso dann fünf tiefe Spieler, wenn drei (IV + Keeper) mehr als genügen?
Der ballnahe AV (i. d. F. Pavard) würde Plea früh nach Außen zwingen, welches ein mögliches Zuspiel auf die Zehner im Halbraum öffnen kann. Dieser könnte, wenn Plea nicht hochaufmerksam mitzieht, im Rücken dessen, Pavard bespielen.
Bedeutet auch hier: Timing und eine gute Rückwärtsorienierung von Plea und Hofmann wären gefragt.
Möglicherweise schiebt Davies komplett hoch in die letzte Linie, während sich Mane/Müller/Musiala (je nach Besetzung) dynamisch im Zehner Raum anbietet, um für Verbindung und Verlagerung zu sorgen.

Oder Nagelsmann löst die Doppel-Sechs auf, und setzt Sabitzer eine Linie höher, während Mane wieder in die letzte Linie gehen kann.
Klar ist: Alles verhindern wird man nicht, auch nicht an einem beinahe perfekten Tag. Das Gefühl für den Moment und den Mut zu haben, auch auszubrechen, im Vertrauen, dass im Rücken abgesichert wird, wird erforderlich sein. Sonst erdrückt dich der Dauerdruck.
Pressingstruktur open play: asymmetrisches 4-3-3
Die Mannorientierungen im Halbraum und Zentrum bleiben, diese werden weiterhin von Kramer im Zentrum im Sechser-Raum abgesichert.

Gleiches, wie beim Aufbau beim Abstoß, auch hier: Rückwärtsorientierungen auf den Flügeln sind wichtig, um nicht überlaufen zu werden. Stimmt der Anlaufwinkel, so kann Hofmann sogar Hernandez bogenförmig anlaufen, Hernandez muss zu Neuer oder Upamecano zurück spielen; letzteren kann Plea ebenfalls im Bogen anlaufen, wenn Pavard nicht breit auffächert. Stimmen die Anlaufwinkel nicht, entstehen recht schnell Flügelüberladungen, die natürlich sehr gefährlich werden (können).
Im Grunde, und das ist zwar in jedem Spiel wichtig, aber besonders gegen die Bayern, ist die horizontale Kompaktheit in der zweiten Linie von Bedeutung. Nicht, weil es gegen den FCB geht, sondern, weil sie in ihrem 4-2-2-2 mit Musiala/Müller/Sane/Coman/Gnabry/Mane darauf hinaus sind, in die Zwischenräume zu gelangen.
Besonders, wenn die Linie gestreckt ist, und sich sogar Eins-gegen-Eins Duelle bilden (Erinnere an Musiala gegen Wolfsburg), wird es ein Spiel auf Messers Schneide.
Allein deshalb hat Kramer, sofern fit, eine Auflaufgarantie, durch seine enorme Laufbereitschaft und seinem Verständnis in der Organisatiton.
Zwei Achter, die auch Sechser geben können, schaden nicht, um die Linie kompakt zu halten, und auch, weil die Bayern Halbräume und zentrale Zonen überladen.
Für Thuram wird es gegen den Ball eine für ihn sehr fordernde Partie werden, die ihn zu zuverlässigen Zustellungen in der Mannorientierung zwingen.
So, oder so:
Die Borussia darf selbstbewusst auftreten!
Eine Antwort auf „Wie kann man das Aufbauspiel der Bayern effektiv verteidigen?“
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