Auswärtssieg in München (1-2): Die Borussia-Explained Analyse
Christoph Kramer sagte nach dem Spiel im Interview:
„Wir hatten von Beginn an eine hohe Intensität im Spiel, und nachdem wir nach gut 20 Minuten das Anlaufen umgestellt haben, standen wir häufig in den richtigen Räumen.“
Das Anlaufverhalten hatte sich tatsächlich geändert.
Die Borussia lief zunächst mannorientiert im Mittelfeldzentrum an, welches also im Mittelfeld ein 2-1 Block mit Kone, Kramer und Neuhaus bedeutete.
Die Bayern bauten aus einer flachen 4er-Kette auf, die Sabitzer auf der linken Seite – im Gegensatz zu Kimmich – oft einrückend interpretierte.
Roca gab sich als Solo-6er, unterstützend von Müller und Musiala in den Halbräumen, sodass sich das Bayern-Dreieck im Mittelfeld bildete.


Das Anlaufprinzip der Borussia mit den Flügelverteidigern Luca Netz und Stefan Lainer
Trainer Adi Hütter gab den Flügelverteidigern der Borussia die Anweisung, jeweils den ballführenden Außenverteidiger der Bayern (Kimmich RV – Sabitzer LV) anzulaufen, wenn dieser in Ballbesitz gelang.
Der ballferne Flügelverteidiger sollte sich dann zurück in die letzte Kette fallen lassen.
Beispielszene aus der 3. Spielminute:
Als die Bayern Kimmich anspielten, presste Luca Netz diesen.

Kimmich und Co. verlagerten auf die andere Seite. Luca Netz rückte also in die Kette ein, und Lainer presste dann auf der rechten Gladbach-Seite den linken Außenverteidiger der Bayern.

Ballfernes Problem in der Zustellung
Die Bayern hatten die Geduld, im Aufbau immer wieder zu verlagern, weil sie durch den flachen 4er-Aufbau in der Abwehr genug Breite im Spiel hatten.
Als die Bayern also erneut auf die rechte Angriffsseite (Kimmich) verlagerten, war Luca Netz bereits im Rückwärtsgang und zu weit entfernt vom RV Kimmich.
Dies hatte zu Folge, dass Stindl aus der Zentrale weit rausrücken musste, um Druck auf den ballführenden zu erzeugen, was aufgrund der weiten Strecke nicht gelang.

Ein weiteres Problem dieser Zustellung war, dass Luca Netz in dieser Situation nicht genug Zeit hatte, um einzurücken, sodass Kimmich diesen – durch einen hohen Ball – überspielen und Gnabry einsetzen konnte.


Auch in der 7. Spielminute ließ sich die „Problematik“ erkennen:
Gleiches Muster: Netz lief Kimmich hoch an. Der Ball wurde erneut verlagert, Neuhaus lief dabei Süle an, Sabitzer stand frei und ohne Gegner, da Lainer in der Abwehrkette blieb.
In Abb.9 zu sehen, wie viel Freifläche Sabitzer unmittelbar vor dem Anspiel, hatte.


Lainer machte die Distanz zu Sabitzer durch seine physische Spielweise gut, erreichte den erzeugten Druck auf den LV, der dann zum langen Ball gezwungen war.

Das ballferne Problem beim Zustellen ist auf Gladbachs rechten Seite weniger aufgefallen, als auf der linken – in Person von Luca Netz, der physisch ein anderes Profil als Lainer hervorbringt.
Wie Hütter das Anlaufverhalten anpasste
In erster Linie ging das Team von Adi Hütter weg vom 1-2 Anlaufblock vorne, und wich in eine Kette um (Stindl – Embolo – Neuhaus), später im Verlauf der Halbzeit wechselten sie wieder zu einem 1-2 Block.
Durch mehr Breite der Kette konnten die beiden 10er Stindl und Neuhaus, eine kürzere Anbindung zu den Außenverteidigern der Bayern schaffen.

Gleichzeitig hatte man durch die höhere Verschiebung beider Außenverteidiger Netz und Lainer, eine bessere Kontrolle zu den gegnerischen Spielern in den Halbräumen, weil sie näher an der Doppel-6 (Kone und Kramer) standen.

Aggressiveres Anlaufen und Durchsichern der Verteidiger
Beide Flügelverteidiger der Fohlen liefen die gegnerischen AV der Bayern aggressiver an. Das Anlaufen von Netz und Lainer funktionierte deshalb gut, weil die Intensität des Durchsicherns der Innenverteidiger stimmte.
Beispielszene:
Lainer lief Sabitzer an, der im ersten Moment den Ball weiter auf die Außen leitete. Im Rücken Lainers stand Tillmann frei.

Ginter sicherte allerdings gut zu, lief Tillmann an. Auch hier stimmte die Intensität bei Lainer, der mit zustellte und somit ein 2-gegen-1 herstellte.

Tillmann zog nach innen, Kramer war allerdings durch die Verschiebung mit auf die Seite aufgerückt, sodass beinahe ein 3-gegen-1 Zweikampf entstand. Die Pressingfalle griff, weil vor allem die Intensität und Sprintbereitschaft stimmte (insgesamt 235 Sprints der Fohlen).

Auch in der 35. Minute ließ sich zunächst beobachten, dass Netz und Lainer höher standen. Der 18-Jährige stand höher als der Österreicher, da er Kimmich presste, gleichzeitig ließ sich Lainer aber nicht tief in die Kette fallen. Stattdessen sorgte dieser für einen geringeren Abstand zum Gegenspieler Sabitzer.

Als Netz die Außenbahn freigab, deckte Tony Jantschke durch und presste Serge Gnabry.


Dadurch war der deutsche Nationalspieler gezwungen, die von Tony Jantschke angebotene Seite anzunehmen, und in die Mitte zu dribbeln.
Dort konnte Lars Stindl den Ballgewinn forcieren, da die Fohlenelf auch hier gut ballorientiert verschob.

Fazit
Adi Hütter bewies ingame-coaching Qualitäten. Nicht nur, dass er das Anlaufen in vorderster Front umstellte, sondern auch die Art und Weise des Pressings – speziell von Lainer und Netz – verhalfen der Mannschaft, Zugriff auf den Gegner zu bekommen. Die oft diskutierte Intensität hat die Borussia auf das Spielfeld bekommen. Mit 235 Sprints ist dies ein guter Indikator dessen.
Die Intensität bringt allerdings nur dann was, wenn der Zugriff auf den Gegner gegeben ist. Dieser fehlte in den ersten 20 Minuten, sodass die bis dahin erbrachte Intensität für viel Lehrgeld eingetauscht wurde, da man in gewissen Bereichen einen Schritt zu spät kam.
Das Umschaltspiel in der zweiten Halbzeit, welches nicht sonderlich gut war, sorgte dafür, dass die Kräfte schneller verschwanden, als es der Mannschaft von Adi Hütter recht war. Die zu schnell verlorenen Bälle, sorgten für die eine oder andere Angriffswelle des FC Bayern.
Dennoch: Der Ansatz, den Adi Hütter und sein Trainerteam in der Winterpause für deren Fußball wählten, ist einer, der in die richtige Richtung geht.