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Warum Marvin Friedrich ein typischer Adi Hütter Verteidiger ist

Mit Marvin Friedrich verpflichtete die Borussia einen Innenverteidiger von Union Berlin und sorgt bereits für den Sommer-Abgang von Matthias Ginter vor.

Der 26-Jährige ist ein Verteidiger der zum Spiel von Adi Hütter passt.

Twitter: @BorussiaExpl

Mit Marvin Friedrich verpflichtete die Borussia einen Innenverteidiger von Union Berlin und sorgt bereits für den Sommer-Abgang von Matthias Ginter vor.

Der 26-Jährige ist ein Verteidiger der zum Spiel von Adi Hütter passt. Das System von Union & Urs Fischer im Verhalten gegen den Ball, ähnelt in bestimmten Mustern diesem vom Österreicher und Borussia.
Mannorientiertes Deckungsverhalten, mutiges Durchsichern und aggressives Zweikampfverhalten. Wo seine Stärken im Defensivverhalten und auch im offensiven Bereich am Ball, aber auch, wo sich seine Schwächen befinden, erläutere ich gerne.

Friedrichs Spiel mit dem Ball am Fuß

Marvin Friedrich zeichnet vor allem lange Bälle hinter die letzte Kette des Gegners und eröffnende, diagonale Pässe, die oft als Seitenverlagerung dienen, aus.
Dabei überspielt der Innenverteidiger viele Gegenspieler.

Unions Aufbauspiel ist auf lange Bälle ausgelegt.
Dazu schieben die Flügelverteidiger relativ weit hoch und besetzen die Breite. Der ballferne 8ter schiebt in die letzte Linie hoch, bindet den jeweiligen Außenverteidiger des Gegners. Es entsteht eine 2-gegen-1-Situation am Flügel.

Der 8ter startet einen tiefen Laufweg, der gegnerische Außenverteidiger muss sich entscheiden, ob er diesen mitgeht oder die Breite zum Flügelverteidiger der Unioner hält. Eine Option bleibt dem ballführenden Marvin Friedrich also offen.

Beispielszene aus dem Auswärtsspiel in Köln – 9. Spielminute:

Friedrich dribbelte den freien Raum vor sich an, sah dass der 8ter den tiefen Laufweg startete und der Rechtsverteidiger von Köln diesen nicht mitging.
Der Innenverteidiger spielte also einen langen Ball hinter die Kette, der vom Zeitpunkt und der Länge des Passes, optimal abgestimmt mit dem Laufweg des Mitspielers war.

Abbildung 1
Abbildung 2
Abbildung 3

Der eröffnende Diagonalball von Friedrich zum ballentfernten Flügelverteidiger ist sehr gut. Das Timing und der dazugehörige Schnitt des Balls sind gut ausgelegt, sodass dieser nicht zu lange in der Luft ist, sondern schnell am Fuß landet.

Auch in Abb. 4 u. 5 dasselbe Muster. Der ballentfernte 8ter der Unioner lief tief, zog den Rechtsverteidiger des Gegners mit, sodass der Flügelverteidiger auf der linken Seite freigespielt werden konnte.

Abbildung 4
Abbildung 5

Grundsätzlich ist Marvin Friedrich kein Innenverteidiger, der von der Spielstärke lebt, also nicht unbedingt mit Matthias Ginter zu vergleichen ist.


Wichtig ist allerdings im Kontext zu beachten, dass die Spielanlage (im offensiven Spiel) in Gladbach eine andere ist, als die der Unioner.
Daher macht ein statistischer Vergleich zwischen beiden Innenverteidigern nur bedingt Sinn.

Tabelle 1: Vergleich Dribbling- und Passstatistiken der beiden IV


Spielanalyse gegen den Ball

Marvin Friedrich spielte in der 3er-, respektive 5er-Kette im Union System, einen mannorientierten Fußball.
Das Durchschieben auf den jeweiligen Gegenspieler – bei hohem Ballbesitz auch bis tief in die gegnerische Hälfte – ist ein klares Muster in seinem Spiel.

In mehreren Szenen lässt sich dieses beobachten:
In Abb. 6 erkennt man zunächst, wie Friedrich im System verteidigt. Der 6er ging mit dem Gegenspieler zum Kopfball, Friedrich blieb in der Kette und setzte sich ab, auch um die Tiefe abzusichern.

Abbildung 6

Als der Ball beim gegnerischen Stürmer landete, rückte Friedrich aggressiv raus und setzte zum Tackling an.

Abbildung 7

Auch im Conference League Spiel gegen Slavia Prag ein mutiges Durchschiebeverhalten:

Abbildung 8

Im Aufbauspiel noch integriert (Abb. 8), verlor Union den Ball im Angriffsdrittel. Slavia Prag wollte kontern, dabei den Stürmer flach anspielen.

Abbildung 9

Friedrich agierte mannorientiert und ging somit mit seinem Gegenspieler – bis in die Hälfte hinein, antizipierte den Pass und setzte auch hier zum Tackling an (Abb. 10).

Abbildung 10

Viele Tacklings – mannorientiertes Verteidigen

Das mannorientierte, aber gleichzeitig aggressive Spiel gegen den Ball, führt dazu, dass Friedrich in vielen Spielfeldzonen zu Zweikämpfen kommt.
Der deutsche Innenverteidiger setzt in diesen häufig zum Tackling – in Form der Grätsche – an.
Mit 0,89 Tacklings und eingehend dazu, 0,98 Fouls je 90 Minuten, lässt tief blicken, wie Friedrich seine Duelle führt.

Abbildung 11
Abbildung 12

Probleme in der Tiefensicherung

Beim mutigen Durchschiebeverhalten zum Gegenspieler ist es wichtig, zu wissen, wann der Spieler sich fallen zu lassen hat, um die Tiefe zu sichern (den öffnenden Raum im Rücken zu schließen, wenn der Mitspieler diesen nicht schließen kann).

In Abb. 13 zu erkennen, wie Friedrich zum Gegenspieler Kamada durchschob. Flügelverteidiger Trimmel presste Kamada mit, verlor Gegenspieler Kostic aus den Augen.

Abbildung 13

Trimmel orientierte sich hierbei zu Kamada, verlor dabei Kostic im Rücken.
Friedrich hatte eine saubere Sicht, schaute nach vorne. Der Druck von Trimmel auf Kamada, der vom 6er Berlins mitzugestellt wurde, reichte aus, um die Tiefe von Kostic zu sichern. Der Pass von Kamada zum Flügelverteidiger Kostic, war absehbar.

Abbildung 14v
Abbildung 15

Wenn die Abwehrkette mannorientiert verteidigt, ist die Übergabe des Gegenspielers zum Mitspieler primär wichtig, wenn dieser einen Laufweg startet / eine Positionsänderung vornimmt.
Geschieht dies nicht, entstehen Räume für den Gegner, oder dieser erzeugt eben Überzahl in einem anderen Raum.

In der nächsten Szene gegen Maccabi Haifa in der Conference League, ließ sich dieses Szenario beobachten. Friedrich schob auch hier zunächst zum Gegner durch (Abb. 16).

Abbildung 16

Als der Stürmer den Laufweg diagonal in die Tiefe startete, blieb Friedrich in seiner ursprünglichen Position stehen. Diese Positionierung war unnötig, da der zentrale IV der Unioner, bereits Kontakt zum Gegenspieler hatte.

Hinzu kam, dass der Flügelverteidiger Ryerson die Übernahme des deutschen IV, eben nicht annahm, und der Gegenspieler somit Raum in der Tiefe bekam.

Abbildung 17
Abbildung 18
Abbildung 19

Problemmuster auch im Verhalten gegen Konter des Gegners

Union verlor in Abb. 20 den Ball, Köln startete den Konter. Friedrich auch in dieser Szene mit einem guten Durchsichern – in Kontakt mit Gegenspieler Modeste.

Abbildung 20

Als Uth den Pass zu Modeste spielte, griff Friedrich diesen an, statt sich fallen zu lassen, um gegen die Breite der Kölner gegenzuhalten.

Modeste stand zum Zeitpunkt des Passes von Uth im 1-gegen-3 der Innenverteidiger der Union. Knoche hätte hier – als zentraler Innenverteidiger – rausrücken können, wenn Friedrich Modeste nicht attackiert hätte.
Den Laufweg mit Uth wäre mit der breiten Positionierung und der Aufnahme dessen geschlossen. Knoche wäre im 1-gegen-1-Duell mit Gegenspieler Modeste.

Abbildung 21
Abbildung 22: zu sehen, wie Friedrich den Raum in der Breite öffnete, auch weil Knoche als zentraler IV nicht rausrückte.

Stärken in der (Tiefen-) Absicherung des Mitspielers

Die Absicherung des Innenverteidiger-Partner gehört zu den Stärken von Marvin Friedrich.

Die jeweils tiefen Positionierungen in den Abbildungen 21 u. 22, sowie 23 u. 24, verdeutlichen, wie er das Absichern des Mitspielers versteht.

In der Abb. 23 zu sehen, wie Friedrich – aufgrund der gegnerischen Positionierung (rechts neben ihm) tiefer stand als der (in Gelb-markierte) IV-Partner.

Abbildung 23

Im Moment des Passspiels von Bakker in die Tiefe, schloss Friedrich den Schuss- und Passweg rüber zum Mitspieler, indem er das tiefe Spiel des Stürmers erkannte und frühzeitig mitlief (Abb. 24).

Abbildung 24

Das Muster lässt sich im selben Spiel erneut erkennen. Der 26-Jährige sah hier, wie IV-Partner Jaeckel einen Vorwärtsschritt machte, weil Schick ihn rauslockte, um Diaby im Rücken dessen frei bespielt zu bekommen.

Friedrich erkannte den tiefen Laufweg von Diaby frühzeitig, ließ sich fallen und nahm diesen mit auf.

Abbildung 25

Durch das frühe Antizipieren und Handeln, konnte der tiefe Laufweg Diabys von Friedrich geschlossen werden.

Abbildung 26

Marvin Friedrich – ein Verteidiger-Gen

Besonders hervorzuheben ist sein Verhalten in der eigenen Box. Das Erkennen der gegnerischen Laufwege in die Box hinein, sind stark ausgeprägt.

Beispielszene im Berlin-Derby:

Friedrich lief mannorientiert zu seinem Gegenspieler – beinahe bis zur Mittellinie – mit. Der Angriff der Hertha wurde auf ihre rechte Angriffsseite und ins letzte Spieldrittel verlagert, sodass der Innenverteidiger zum Rückwärtsgang ansetzte.
Stark war, wie dieser währenddessen – die eigene Box ‚scannte‘.

Abbildung 27

Zunächst erkannte er den Raum zwischen dem linken Flügelverteidiger und dem zentralen IV der Unioner, den Marco Richter anlief (Hertha Spieler – Laufweg in hellblau).

Abbildung 28

Diesen versuchte er zu schließen, ehe er erkannte, dass der Passweg vom Flankengeber zu Marco Richter nicht mehr offen war und zudem der zentrale IV rausrücken würde.

Gleichzeitig bedeutete das für Friedrich, die zentrale Zone zu stärken und Stürmer Piatek zu übernehmen.

Abbildung 29

In Abb. 30 zu sehen, wie Knoche leicht rausrückte und Friedrich zentral wieder eingerückt war.

Abbildung 30

Fazit – Marvin Friedrich: Ein Verteidiger für Adi Hütter

Marvin Friedrich ist kein Innenverteidiger, der mit Ginter zu vergleichen ist. Nicht nur, dass die Spielanlage beider Klubs eine verschiedene ist, so sind beide Spieler auch mit anderen Stärken / Schwächen ausgestattet.

Der 26-Jährige ist taktisch – im Verhalten der Raumbesetzung, gerade wenn es im hohen Zustellen Rotationsmuster des Gegners gibt – nicht so geprägt, wie es Matthias Ginter ist.
Ich würde Marvin Friedrich allerdings als aggressiveren Innenverteidiger beschreiben, der das tatsächliche Verteidiger-Gen mehr in sich trägt.

Dem Spiel von Adi Hütter tut dieses gut, auch weil er die Verhaltensmuster der 3er-Kette im Durch- und Absichern, welches auch auf hohen Spielfeldzonen passiert – kennt und gut ausspielt.

Während Ginter mehr von seiner Tiefensicherung lebt, wählt Friedrich den offensiveren Weg, den Hütter für seinen Fußball braucht – natürlich auch mit dem dazugehörigen Risiko.

Der Neuzugang kommt somit mehr über den Körperkontakt, über die Tacklings – also vom emotionalen Aspekt. Ein Verteidiger, der mit einer erfolgreichen Grätsche – einen vollen Borussia-Park emotionalisieren würde.

Zusammenfassend lässt sich formulieren: Es geht im Sommer mit Matthias Ginter Spielkultur im Aufbauspiel verloren. Dafür wird mit Marvin Friedrich mehr Physis und Körperlichkeit in der Abwehr gewonnen.

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