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Transfers 22/23: Was muss passieren?

Eine Kader- und Transferanalyse von Deniz (@DenizimHalbraum)

Der Transfersommer 22/23 steht offiziell am 01.07.22 an. Die Anzahl an Gerüchten um Zu-, sowie Abgänge halten sich in Grenzen. Tendenziell ist allerdings klar, dass Spieler im Kader, dessen Vertrag im Juli 2023 enden, potenzielle Verkaufskandidaten sind. Oder sie verlängern diesen.

Schauen wir uns den aktuellen Kader an (Stand: 30.06.2022).


Wenn die meisten Spieler fit bleiben und der Neuzugang auf der Sechs offiziell wird, ist der Kader für ein 4-2-3-1 oder 4-3-3 gut aufgestellt. Die Abwehr inkl. Torhüter Sommer und dessen Ersatz Sippel, sind qualitativ gut zusammen gestellt. Die Priorität, den Vertrag mit Sommer zu verlängern, sollte und ist selbstverständlich von höchster Bedeutung.
Netz duelliert sich mit Bensebaini um den linken Part der Kette, der bei einem Verkauf des Algeriers, als Stammspieler aufrückt. Einen zwingend notwendigen Backup sehe ich für Netz nicht. Die Borussia will solche Talente fördern, sprich Einsatzminuten geben. Wen möchte man also verpflichten, der sich auf die Bank setzt und gleichzeitig die Ambitionen erfüllt, Qualitäten nachzuweisen, die dem Klub gerecht werden?
Scally als Backup für beide Seiten einzuplanen kann Sinn machen, da sich seine Einsatzchancen bei Verletzungen/Sperren/Rotationen von Netz und Lainer erhöhen. Beyer kann als Notnagel für die RV-Position eingesehen werden.
Die Innenverteidigerpositionen sind mit Elvedi und Friedrich gut aufgestellt, die von Beyer heiß attackiert werden. Der 21-Jährige machte einen großen Sprung in der vergangenen Saison und kämpft mit dem Innenverteidiger Duo um einen Startelfplatz. Doucoure ist bewusst nicht eingeplant. Auf eine erfolgreiche und gesunde Saison 22/23, Mams!
Kommt der versprochene polyvalente Sechser, z. B. Itakura, der auch als Innenverteidiger spielen kann, wäre die IV-Rolle – zusammen mit Jantschke – zusätzlich abgesichert.
Kramer wäre die erste Alternative zum zentralen defensiven Sechser. Die Achter Position gibt einiges her.
Kone, Neuhaus, Reitz (kann auch Sechser) und Fraulo (wird wahrscheinlich zunächst über die U23 aufgebaut) können die Acht bekleiden.
Spielt man im 4-2-3-1, und Neuhaus verlässt den Klub nicht, so entsteht auf dieser Position eine Überbesetzung in der Qualität.
Ob Neuhaus unter Farke auch als Zehner eingeplant wird, weiß man noch nicht.
Spielt man jedoch ein 4-3-3, so wäre die Situation anders zu bewerten. Später näheres dazu.
Stindl, Noß, Müsel, Quizera und auch Embolo sind im Kader, die (auch) ihre Stärken auf der Zehn besitzen. In der Qualität eher dünn, gerade, wenn man bedenkt, dass Stindl als Stammspieler bereits ein fortgeschrittenes Alter erreicht hat und Embolo´s technische Fähigkeiten einem zumindest Zweifel erlauben, ob dieser den Anforderungen von Farke auf der Position gerecht werden kann. Außerdem würde man mit Embolos Kadervergabe auf der Zehn, eine Baustelle im Sturm öffnen.
Wie weit sind Müsel, Quizera und vor allem Noß? Inwiefern kann man mit diesen rechnen? Eine echte Kaderstelle – auf der Zehn – mit jungen Spielern zu besetzen, die kaum Bundesligaminuten in den Beinen haben, wäre fahrlässig. Wenn diese Jungs weitere Schritte in ihrer Entwicklung gehen, umso schöner, jedoch nicht planbar.
Wie besetzt man also diese Kaderstelle – intern und/oder extern? Später näheres.
Die Flügelpositionen sind vor allem in der Spitze stark besetzt. Thuram´s Tiefang, gepaart mit seinem Tempo und Eins-gegen-Eins Fähigkeiten, machen ihn – wenn verletzungsfrei – zu einer echten Waffe. Auch Jonas Hofmann ist ein exzellenter Offensivspieler, der sich besonders in den Halbräumen wohlfühlt – egal ob in der zweiten/dritten (im Aufbauspiel und Spielübergang) oder letzten Linie im Tiefgang. Dahinter besetzen Publikumsliebling Herrmann und ein Jugendspieler mit Potenzial – Yvandro Borges Sanches – die Positionen. Die Mischung aus Qualitäten und Erfahrungspunkten sind gut. Aber: Wer bleibt im Verein bzw. verlängert seinen Vertrag? Zu Thuram, Hofmann und auch Wolf lassen sich immer wieder Abgangsgerüchte lesen. Gerade bei Thuram erscheint ein Abgang am wahrscheinlichsten.
Was wird es also benötigen, um einen Flügelspieler, wie Thuram, zu ersetzen?
Die Stürmerrolle bleiben primär für Plea und Embolo übrig, wenn sie den Verein nicht verlassen. Jedoch stellt sich hier die Frage, inwiefern Plea die Stürmerrolle bekleiden kann/möchte, bzw. ob ihn diese Position, hinter einem Zehner zu spielen, eher destabilisieren würde.

Kaderanalyse – Wie kann eine Startelf aussehen?

Option 4-2-3-1:

Die angesprochenen Problematiken auf der Abbildung nochmal verdeutlicht. Wer übernimmt die offensive Achterposition ein, neben dem Neuzugang des Sechsers?
Wer spielt die Zehn? Wohin mit Plea, der sich eigentlich in der Linie dahinter wohler fühlt?

BorussiaExplained Alternative:
Auf dem Papier würde die 4-3-3 Grundordnung am ehesten verdeutlichen, welche Stärken des Kaders in Vorschein treten können:

In der benannten Formation können Neuhaus und Kone die Achterpositionen einnehmen, die z. B. von Itakura abgesichert werden und gleichzeitig einen 3er-Aufbau mit Rautenbildung gewährleisten kann.
Dabei sind nicht nur die benannten Spieler auf dem Platz, sondern erfüllen durch ihre Stärken im Positionsspiel und der Interpretierung des Spielübergangs im zweiten Spielfelddrittel ihren Zweck.
Kone hat starke Aufdrehmomente, die er in Kombination seiner körperlichen Physis und Dynamik in Pressingsituationen auflösen kann. Seine progressive Spielweise am Ball gewinnt Meter für das Team. Auch Neuhaus hat diese Stärken im Aufdrehen, glänzt im zweiten Kontakt aber durch Passintelligenz und progressive Pässe, die z.B. Tiefe oder Zwischenräume finden kann. Mit Itakura hätte man einen spielintelligenten Sechser, der ebenfalls Stärken in der technischen Ausführung besitzt (Analyse zu ihm findet ihr hier).
Mit Plea hätte man zwar den nominellen Stürmer, der sich aber effektiv in den Zwischenräumen bewegt und im best case die einlaufenden Flügelspieler in die Tiefe einsetzt (Hofmann und Thuram), oder einen der beiden Außenverteidiger, die die Breite besetzten.
Ähnliche Schemata konnte man von Trainer Daniel Farke in Norwich beobachten:
-> dynamischer 3er-Aufbau
-> hochschiebende Außenverteidiger
-> Flügelspieler rücken in Halbräume

Plea im Halbfeld und ein Tiefgang-Stürmer

Alassane Plea spielte in der vergangenen Saison unter Adi Hütter im 3-4-2-1 die linke „Halbzehn“ und agierte dort im Halbraum. Meist lockten die Fohlen im Aufbau über die rechte Seite an, um ballfern durch Ginter, Zielspieler Plea zu finden. Halbräume sind in der Verlagerung „einfacher“ zu finden. Im Zentrum, wie im Eingangsbeispiel von mir, ist das Aufdrehen nicht einfach umzusetzen und weitere Aktionsfelder sind schwierig zu finden. Das Zentrum ist die aller letzte Zone, die der Gegner freiwillig aufgibt.

Das 2-3-5, respektive 3-2-5 (je nachdem, wo genau sich der Sechser aufhält), welches effektiv im Ballbesitz stattfindet, weil die Außenverteidiger in die letzte Linie schieben, ist ein oft gewähltes strukturelles Positionsspiel im Spiel mit dem Ball.
Plea hatte seine besten Spiele auf dieser Position, wenn die Fohlen im Ballbesitz geordnet aufgebaut haben, welches auf ihn zugeschnitten war.
Eingangs vor der Saison 21/22 verfasste ich einen Artikel, in der ich erklärte, wieso Plea ein geeigneter Halbfeld-Zehner unter Hütter werden könnte (Link hier).

Die Unterschiede hier sind, dass sich der Tiefenläufer (in den Beispielen Hofmann und speziell Thuram) nicht im linken Halbraum befindet, sondern in der Sturmspitze. Damit fällt der zentrale Zehner effektiv weg. Dynamisch könnte man dies auffangen, in dem sich der Stürmer situativ in die Zwischenräume fallen lässt, allerdings muss dies dem Profil des Spielertyps nahe kommen. Embolo käme da eher in Frage, als ein Tiefenläufer, wie Thuram.
Im Verbund kann auch Neuhaus dynamisch aus der Achter Position nachrücken und die Zehn ausfüllen, um speziell im letzten Drittel als Kreativkopf zu agieren. Dann ist die Frage, inwiefern Daniel Farke bereit ist, seine Konterabsicherung zu „sprengen“.
Das Spiel würde also vor allem halblinks stattfinden, da sich dort die technisch- und passstärksten Spieler (Elvedi, Neuhaus, Plea) befinden, sodass eine Asymmetrie in der letzten Linie entstehen würde, wenn Hofmann und Lainer die Tiefe attackieren in ihren Zonen.

Damit hätten wir die Fragen gelöst, die ein gemeinsames Stattfinden von Neuhaus und Kone erlauben, sowie die Zehnerposition intern geklärt.

Wie reagiert jedoch der Verein auf mögliche Abgänge?

Was ist gefordert, wenn Spieler wie Plea und Thuram den Verein verlassen?

Wichtig ist, dass man erkennt, welche Spielertypen den Verein verlassen, welche Skills abhanden kommen, die der Kader eventuell durch andere interne Personalien abfangen kann oder eben nicht.
Wie hoch ist die Dringlichkeit des jeweiligen Profils? Waren die Spielmacher Qualitäten bereits weniger vorhanden, als noch Plea da war, und diese verschärfen sich durch seinen Abgang noch einmal mehr? Oder ist der Kader bereits technisch-taktisch und spielerisch bereits aufgerüstet und kann diese Millionen in andere Skills investieren?

Speziell der Fall Thuram verdeutlicht, wie einzigartig dessen Profil im Kader vorhanden ist. Thuram bringt Eins-gegen-Eins Fähigkeiten mit, die in dieser Ausprägung niemand bringt. Gehen diese verloren, so müssen diese wieder eingekauft werden. Ein Dribbler, der Tiefgang hat, ist immens wichtig, um Hofmann entlasten und als Team flexibel agieren zu können. Thuram fühlte sich besonders in Halbräumen wohl, um den Drang zum Tor ausleben zu können.

Mit Plea, Stindl, Embolo hätte man Spielerprofile, die sich in den Zwischenlinien aufhalten können, auch Hofmann macht dies situativ.
Verlässt Plea also Gladbach, so geht besonders seine Abschlussstärke abhanden, die er neben der spielerischen Leistung im Spielerset vorhanden hat.
Plea ist ein mobiler Stürmer, kein reiner Finisher, der auch mit dem Kopf trifft, aber immer noch ein Stürmer.
Mit Plea würden uns insgesamt 75 Scorer in 142 Pflichtspielen (0,52 pro Spiel) verlassen.
Fängt man das mit einem Spieler ab?
Möglich. Realistischer ist die Option die Scorer in Vorlagen und Tore zu kategorisieren und den jeweils spezifischen Spieler zu verpflichten.
Ein dynamischer Zehnertyp, der situativ in Halbräume abkippt, mit einem Tiefgänger im letzten Drittel, der sich auch in zentralen Zonen gerne aufhält, wäre eine Kombi die Plea und Thuram sinnvoll ersetzen würden.

Das lange anhaltende Gerücht um Eddie Nketiah (mittlerweile seinen Vertrag verlängert) zeigt, dass Gladbach einen solchen Stürmertypen, der mit Tempo und Tiefgang die Kette bricht, verpflichten möchte.
Das macht nicht nur aus kadertechnischen Gründen Sinn, sondern auch, wenn man das Ballbesitz- und Umschaltspiel von Trainer Daniel Farke in Norwich analysiert. Aus dem Positionsspiel folgten regelmäßig lange und flache Tiefenbälle der spielstarken Sechser (McLean, Skipp) hinter die Kette (Pukki).

Im Kader kommt Embolo diesem Typen am ehesten nahe, der allerdings auch andere Schwerpunkte hat. Spezifisch traue ich ihm zu, den finalen Schritt zu gehen und in Puncto Timing der Tiefenläufe und das Verhalten in engen Räumen (und wenig Tiefe hinter der Kette, weil tiefstehender Gegner) zuzulegen.

Schlussgedanken

Am Ende kommen wir nicht um den Entschluss herum, dass Borussia Mönchengladbach erst aktiv werden kann, wenn benannte Spieler den Verein verlassen.
Roland Virkus erklärte im Fohlenfutter Interview richtig, dass man sich einen zweiten Marcus Thuram nicht nur aus finanziellen Gründen nicht leisten kann, sondern auch aus kaderhygienischen.
Wichtig ist, dass Borussia vorbereitet ist und die eben analysierten Fähigkeiten der Spieler richtig einordnet und spezifisch gescoutet hat.
Im Sommer 2021 waren Spieler wie Romain Faivre, Faitout Maouassa, Ritsu Doan, Khvicha Kvaratskhelia und Co. die allesamt Tempo, Tiefgang und/ oder Eins-gegen-Eins Fähigkeiten mitgebracht hätten, im Gespräch.
Dies zeigt, dass die Verantwortlichen auf dem richtigen Weg sind.


Ein Sechser, der definitiv Stärken im Spiel gegen den Ball erweist, allerdings auch die nötige Spielkultur mitbringen sollte, ist von immenser Bedeutung. Dieser soll nach Virkus Angaben bereits folgen, ehe man einen Akteur im Kader verkaufen müsse, da dort der Bedarf hoch ist.
Eine richtige Einschätzung. Ko Itakura wäre eine ideale Besetzung dessen, der die benannten Attribute vereint und Daniel Farke Flexibilität im Spielaufbau geben kann. Mit dem 25-Jährigen kann der neue Coach aus einer 3er-Kette aufbauen, in der er Ko beliebig von halblinks, nach halbrechts verschoben werden kann, und ihn in der Zentrale einsetzen kann. Dabei könnte er einen ausbrechenden zentralen Innenverteidiger spielen, der sich wie vorhin analysiert situativ als Sechser einschaltet, oder er spielt tiefer, eine Art Spiellibero. Eine 2er-Kette + einer Doppel-6/Einfach-Sechs kann mit Itakura ebenfalls problemlos gespielt werden.

Der Transfersommer 22/23 wird von immenser Bedeutung sein, um die Borussia wieder in ruhigere Fahrwasser zu bringen. Nach den letzten Wochen bin ich zuversichtlich, dass die sportliche Abteilung diese Entscheidungen gut fällen werden.

7 Antworten auf „Transfers 22/23: Was muss passieren?“

Bin immer wieder von Euren Analysen angetan, aber insbesondere auch, wie einfach Ihr die Dinge darstellt. Danke Euch und weiter so! Und mit dem Itakura-Transfer ist ja der nächste Schritt auch schon getan.

Alles super explained. Leider kann man bei solchen Analysen die Fehler der Spieler nicht einplanen. Der wiederholt luschige Fehlpass von Neuhaus. Der xte verlorene Zweikampf von Plea. Die häufigen technischen Unzulänglichkeiten eines Stevie Lainer. Und dann weißt du nicht, ob und wann bei Hoffmann die Glückssträhne reißt. „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie …“ wusste schon der alte Goethe.

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