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SVW überrollt BMG – Betriebsunfall oder Rückfall in „alte Zeiten“ ?

Die erste Auswärtsniederlage der Saison ist fix und Borussia Mönchengladbach ging aus ihrer Sicht mit 1:5 baden.
In dieser Analyse von Deniz (@DenizimHalbraum) geht es zunächst um die spieltaktische Analyse; Was lief in den ersten 15 Minuten schlecht; Wie ging es danach weiter?
Zum Schluss beantwortet Deniz die Frage: War diese Niederlage ein Rückfall in alte Zeiten, oder doch nur ein Betriebsunfall – ohne Zusammenhang aus der letzten Saison?

Die erste Auswärtsniederlage der Saison ist fix und Borussia Mönchengladbach ging aus ihrer Sicht mit 1:5 baden.

In dieser Analyse von Deniz (@DenizimHalbraum) geht es zunächst um die spieltaktische Analyse; Was lief in den ersten 15 Minuten schlecht; Wie ging es danach weiter?
Zum Schluss beantwortet Deniz die Frage: War diese Niederlage ein Rückfall in alte Zeiten, oder doch nur ein Betriebsunfall – ohne Zusammenhang aus der letzten Saison?

Spieltaktische Analyse:

Die ersten 15 Minuten – Was ist passiert und wieso wurde die Borussia überrollt?

Werder Bremen – Spieleröffnung

Der SVW baute über den Torwart im 4-1-2-3 auf; in dieser Struktur bildeten Stark, Veljkovic, Friedl und Jung die Viererkette; Groß gab den Sechser, vor Schmid und Gruev, während Ducksch, Füllkrug und Weiser die letzte Linie füllten.
Ole Werner und dessen Team hatten in der Eröffnung das diagonale Halbfeld als Möglichkeit wahrgenommen, um sich dem letzten Drittel zu nähern. Dazu hatten sie klare Abläufe, wie sie diesen Raum frei zogen:

Während Kone mannorientiert Achter Schmid übernahm, wurde Weigl durch das Fallen von Füllkrug aus der letzten Linie, aus dem Zentrum gelockt, sodass dieser den Diagonalball nicht abfangen konnte.
So stand Scally unter Druck, der Gruev versuchte zu pressen, gleichzeitig die Flügel kontrollieren musste, der vom attackierenden Wingback Jung besetzt wurde.

Gladbach tat sich gegen die direkten Verlagerungen schwer damit, mit den Mannschaftsteilen zu verschieben und dabei die Schnittstellen zu schließen.

Im Idealfall sah Gladbachs Staffelung so aus, wenn der SVW auf dem Flügel den Ballbesitz fokussierte:

Auf Ballseite verschoben; Scally presste Jung, während Weigl und Kone mannorientiert übernahmen und Räume kontrollierten.

Die Borussia bekam allerdings auch die 3-1 (Rauten-)Staffelung im höheren Ballbesitz mit Kramer und Thuram (Zwei-gegen-Vier-Unterzahl) nicht kontrolliert, weil Hofmann zu passiv im Vorwärtspressing agierte und Friedl nicht anlief, sondern Kramer dies übernahm, der eigentlich Groß mannorientiert begleiten sollte.

Werders Flügelfokus: 1:0 Füllkrug – 5´

Dass der SVW im höheren Ballbesitzphasen auf dem Feld in 3-1-2-4 Strukturen agieren, war klar, genau so, dass die Achter die Tiefe attackieren, je nach Angebot des Gegners im Halbraum oder gar ausweichend auf dem Flügel (siehe hier Gegnervoranalyse zum SVW).
Die ballnahen Sechser Gladbachs (Kone/Weigl) sollten die Achter übernehmen, wenn die Außenverteidiger die Wingbacks (die in letzter Linie agierten) pressten.
So verpasste Manu Kone den Zeitpunkt, Schmid im Zwischenraum zu übernehmen, sodass dieser beim Zeitpunkt des tiefen Passes von Weiser zu spät ist, und die Kette der Fohlen auf Ballseite einrücken musste.

Kone kam zwar noch hin, konnte jedoch die Flanke nicht verteidigen; Das Unheil nahm da bereits seinen Lauf. Selbst, wenn Scally Füllkrug verteidigt bekommen hätte, wäre Anthony Jung „überlang“ durch die Breitenbesetzung der Wingbacks und der Verschiebebewegung der BMG-Kette eine zusätzliche Option gewesen.

Werders intensives Anlaufen: Mannorientierungen auf dem Feld; Intensives Pressing auf dem Flügel

Für Werder-typischen Beginn eines Spiels, begannen sie im aggressiven und hohem Anlaufen; in dem sie quasi Mann auf Mann pressten und lediglich leichte Absicherungsmethoden in letzter Linie mit dem ballfernen Wingback hatten.

Gladbach versuchte zwar den freien Fuß im Zentrum zu finden, in dem sich Stindl im Zehner-Raum positionierte, jedoch konnten die Verteidiger aggressiv auf die Stürmer und Stindl rausrücken, weil Weiser in die letzte Linie einrückte (und Überzahl schaffte).

Die Elf von Daniel Farke versuchte mittels vertikalen Bällen aus der ersten in die letzte Linie – zum ballnahen Stürmer zu spielen, der hinter dem aufgerückten Wingback mehr Räume genoss, als der ballferne Stürmer, der quasi gedoppelt wurde (Thuram von Veljkovic und Weiser, wenn BMG über ihre rechte Seite eröffnete und Hofmann bespielte).

Gladbachs Eröffnungen endeten in Fehlpässen, die abgefangen wurden, oder wenn sich Spieler auf dem Flügel festspielten. Das Problem hatte bereits der BVB in ihrem Spiel gegen den SVW zu spüren, so auch die Fohlen. Bremen presste auf den Flügeln intensiv und schuf personelle Überzahlsituationen in engen Räumen her, die Gladbach zu Ballverlusten zwangen.

So entstand der zweite Treffer der Bremer, in Person von Ducksch – 8´:

Nach dem beschriebenen Ballgewinn, folgte das Konterspiel im offensiven Umschaltmoment:
Flüssiges Steil-Klatsch-Steil-Spiel in die letzte Linie; Weigl bekam in der Dynamik den attackierenden Schmid nicht kontrolliert; Elvedi musste auf Füllkrug rausrücken, der ließ auf Ducksch klatschen und dieser setzte Schmid hinter Elvedi ein.

Einen hohen Beitrag, zu den offensiven Umschaltmomenten der Bremer, trugen die Gladbacher selbst bei, die ungewöhnlich schlampig im Passspiel agierten – die nicht nur in Folge vom hohen Gegnerdruck entstanden, sondern auch in ruhigeren Momenten, von bspw. Weigl, Elvedi, Bensebaini, Stindl oder auch Yann Sommer, der sich mit Ball anstecken ließ, und schnell die langen Bälle schlug – trotz anderen Flachpass-Optionen.

Das Spiel nach den turbulenten 15 Minuten

Die Borussia baute in höheren Spielfeldzonen in 3-1-2-4 Strukturen auf, ähnlich wie die Gastgeber.
Meist füllte Kone die erste Linie halblinks; Weigl gab den zentralen Sechser vor Stindl und Hofmann oder Kramer (je nachdem wer die letzte Linie füllte), und Bensebaini, Thuram, Kramer und Scally besetzten die letzte Linie.

Die Elf von Ole Werner hat mit Christian Groß einen Sechser, der auch das Profil eines Innenverteidigers erfüllt. Dieses nutzt der Trainer gerne, um die letzte Linie dynamisch zu füllen und um Räume zu schließen. Gladbach bereite dies vor, in dem die Halbräume im Angriffsdrittel gefunden werden sollten (wie in der obigen Abb. Stindl), um mittels Verlagerung auf den ballfernen Halbraum dann hinter die Kette zu gelangen.

Den Fohlen fehlte an diesem Tag etwas der Mut (Psychologisch gesehen logisch, nach einem 3:0 in 13 Minuten), denn die Zuspiele in die Halbräume waren gut und richtig , übten dabei genug Druck auf Werder, die sich arg zusammen zogen. Stindl hat die technischen und spielintelligenten Qualitäten, um den Ball zu Hofmann weiterzuleiten, der im ballfernen Halbraum stand und evtl. Thuram, sonst Scally hinter Jung (der Hofmann schon zu pressen begann), einsetzen hätte können.

Generell dauerte es bis zur 20. Minute, bis die Borussia die Kontrolle im Positionsspiel gewann, war jedoch in einzelnen Momenten, im Antrieb des situativ-ausgelösten Pressings der Bremer, zu schlampig in den einzelnen Positionsbesetzungen.
So füllte Kone im Moment des Ballverlusts, welcher die Einleitung zum vierten Gegentreffer führte, nicht den Raum im Halbfeld in 3-1-2 Strukturen, sodass Kramer und Bensebaini sich auf dem Flügel festspielten, ohne die Möglichkeit zu haben, mit dem Spiel über den Dritten auflösen zu können.

Reaktion in der zweiten Halbzeit: Fohlen passen sich an und erzeugen Torgefahr

Die Borussia passte sich in der Spieleröffnung an, positionierte im tiefen Aufbau ihre beiden Innenverteidiger Friedrich und Elvedi breit, um die 1-2 Struktur der Bremer in vorderster Front breit und sogar flach auf eine Linie zu ziehen (je nach Weigls Positionierung).
Kone wich der Mannorientierung im Zentrum; positionierte sich im ballfernen Halbraum um Schmid rausziehen und das Zentrum für fallende Achter zu öffnen (Hofmann).

Teils zog Kone auf die Flügel und löste damit die 3-gegen-3 Situation (Weigl, Kone, Hofmann – Gruev, Schmid, Groß) auf, und Hofmann füllte dynamisch fallend aus der letzten Linie die tiefe Positionen auf, die Friedl nicht durchdecken konnte.

Der SVW wurde allgemein passiver und befand sich regelmäßig in 6-2-2 Strukturen wieder (5-3-2; je nach Groß´ Verhalten). So füllte BMG die letzte Linie ebenfalls mit viel Personal und fand Räume hinter der Kette, die sich bspw. Thuram durch die Finte in der 47. Minute erarbeitete (deutete an, kurz zu kommen, um den Verteidiger raus zu ziehen, um dann den schaffenden Raum selbst zu attackieren) .

Die Elf von Daniel Farke hatte nach dem Treffer von Thuram in der 62. Minute ihre beste Phase, die bis zum fünften Gegentreffer (72. Min.) anhielt, in der viele Abschlüsse und einige Situationen rund um die Box unglücklich ausgespielt wurden.

Fazit:
Rückfall in alte Zeiten oder nur ein Betriebsunfall?

Zunächst muss man festhalten, dass die ersten 15-20 Minuten tatsächlich gruppentaktisch und individuell mit und gegen den Ball sehr schwach ausgeführt worden sind.
In einem Auswärtsspiel im Weserstadion, in der die Heims-Fans sehnsüchtig und gleichzeitig euphorisch auf den ersten Heimsieg warteten, war die Herangehensweise der Elf von Ole Werner in der Anfangsviertelstunde mit hohem Pressing, wildem Spiel nach vorne, schnellem Konterspiel, keine überraschende.

Wie auch schon auf Schalke, am zweiten Spieltag, gilt es, solche Phasen – egal, ob Ballbesitz- oder Kontermannschaft – zu überleben, in der eine Anfangswelle über einen rollt. In München hielt diese Dauerwelle über 90 Minuten an, und die Mannschaft brach nie zusammen.
Das tat sie auch in diesem Spiel nicht.
Ja, die Mannschaft hatte keine gute Anfangsviertelstunde und wurde für diese hart und verdient bestraft. Allerdings – auch aus den vorhin genannten Beispielen – lässt sich keine Tendenz aus dieser Saison ableiten.

Von den Argumenten, in denen Spieler keine optimale Vorbereitung auf dieses Spiel hatten (Länderspielreise, ein Tag Training bis zum Spiel, individuelle Krankheitsgeschichten von Sommer, Elvedi und Bensebaini und eben junge Spieler, wie Kone, die diesen Rhythmus – Länder- und Bundesligaspiele – noch verkraften müssen) hinweg gesehen, ist die Mannschaft nie in ihre Einzelteile gefallen, sondern hatten Gruppenteile innerhalb des Teams ihre Probleme, wovon sich Offensivakteure (Thuram, Hofmann) nicht anstecken ließen, und trotz des katastrophalen Starts weiterhin gute bis sehr gute Torchancen mitentwickelten (Kramer 17´, Scally 19´, Stindl 41´, Thuram 47´, Thuram 62´ – Tor). Eine Chancenfülle, welche für mindestens zwei Auswärtssiege reichen kann.

Die Niederlage kann ein Weckruf für alle sein, welcher besagt, dass jeder einzelne und im gesamten als Team, tagtäglich an ihre Leistungsgrenze gelangen muss, um als Borussia Mönchengladbach eben auch in Bremen konkurrenzfähig zu sein; jedoch hatte diese Niederlage nichts mit den Totalausfällen aus der vergangenen Saison zu tun – weder individuell, noch gruppentaktisch und sowieso nicht von der „Mentalität“.

2 Antworten auf „SVW überrollt BMG – Betriebsunfall oder Rückfall in „alte Zeiten“ ?“

Vor Ort war zu sehen, dass Werder die (halb)linke Seite als unsere Schwachstelle ausgemacht hat. Kein Zufall, dass alle Tore hierüber vorbereitet wurden bzw. unsere Positionsspieler daran gewaltige Aktienanteile hatten. Bei Koné wird deutlich, dass er sehr ballorientiert agiert und den Raum und die dazugehörige Ordnung im Verbund darüber „vergisst“, was der defensiven Stabilität abträglich ist. Ihm fehlt noch das Feeling, wann der Sprint nach hinten angezogen werden muss und wann man in seiner Position zu bleiben hat und sich nicht rausziehen lässt. Und Ramy? Hat einen gebrauchten Tag erwischt – passiert, weiter geht’s. Ich fand gut, dass Farke niemanden vom Feld geholt hat. Er glaubt an seine Jungs, ist sich aber des großen Entwicklungspotenzials sehr bewusst.
Wir werden uns dran gewöhnen müssen, dass es sich in der Liga rumgesprochen hat, dass wir zu Spielbeginn nicht pressingresistent sind und uns da noch Strukturen aneignen müssen, um stabil zu sein. Der FC wird’s testen.
Deshalb stimme ich euch zu, dass dies kein Rückfall in alte Zeiten ist. Die Mannschaft ist nie auseinandergefallen nach der unseligen Viertelstunde, hat sich bis zur Halbzeit mit der Bemühung um Strukturwiederherstellung durchgeschleppt und hat nach der Pause die Strukturen aus dem Leipzig-Spiel wieder aufgenommen. Überladen der vordersten Linie, Chipbälle über die hohe Restverteidigung, gegenläufige Bewegungsmuster der 8er, prompt waren Torchancen da. Also, alles vorhanden. Jetzt muss es nur zum richtigen Zeitpunkt abrufbar sein. Klingt einfach, ist aber schwer und braucht Geduld. Schwarz-weiß-Malerei überlasse ich deshalb anderen und „Mentalität“… Ein absolutes Unwort!

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