Adi Hütter kündigte auf der PK an, dass die Borussia das Spiel alles „eine Etage tiefer“ ausführen würde. Das machte sich in den ersten 20 Minuten bemerkbar, als man im 5-4-1 versuchte, nur situativ vorne anzulaufen. Ansonsten war das Timing des Balldrucks auf Höhe der Mittellinie angesetzt.
Die ersten 20 Minuten
Zum Zeitpunkt des Treffers von Max Kruse (18. Minute) hatte die Union 61% Ballbesitz und bereits vier Schüsse abgegeben (Quelle: Bundesliga.de).
Dies war vor allem dem geschuldet, dass die Borussia darum bemüht war, Stabilität in ihrem Spiel gegen den Ball zu gelangen, und man im Ballgewinn darauf beschränkt war, Konterspiel und Spieltempo hoch zu halten.
Die Gäste aus Berlin hatten in ihrem Spiel mit Ball einige Muster, in der sie Gladbach in Bewegung hielten.
Grundsätzlich baute Union mit einer 3-1 Staffelung auf, in der die drei Innenverteidiger + 6er Khedira positionsgetreu agierten (gelb). Dabei schoben die beiden weiteren 6er neben Khedira, also Prömel und Becker, zusätzlich in die letzte Linie (blau).


Dadurch, dass Gladbach kompakt in ihren Abständen standen, und die Innenverteidiger der Berliner von Embolo bogenförmig angelaufen wurden, waren diese oft gezwungen den Raum vor sich anzudribbeln. Die Fohlen konnten den Gegner somit zur direkten Seitenverlagerung hindern, allerdings nicht im Spielübergang in zweiter Linie.
Die Berliner hatten mehrere Muster, wie sie den Angriff in der Dynamik fortsetzten, wenn der IV andribbelte.
1. Muster: Chipball hinter die letzte Kette der Gladbacher

2. Muster: Anspiel in den Halbraum
Das Andribbeln der IV erzeugt eine Reaktion des nächsten Gegenspielers. Da Embolo aus dem Spiel war, ging Zakaria aus der Kette, um Balldruck zu erzeugen.
Auch hier ist die Anbindung von Becker im Halbraum da, um Flügelverteidiger Trimmel von Netz frei zu halten.

3. Muster: Seitenverlagerung auf den ballentfernten Flügelverteidiger
Die Seitenverlagerungen der IV auf die FV gelang, weil Union es verstand, durch die Positionierung von Becker – i.d.F. – Luca Netz im Halbraum zu binden, und somit die Außenbahn frei zu halten.

Entstehung des Handelfmeters – 0:1

In Abbildung 5 entstand der Angriff, den Union im zweiten Gang im selben Ablauf ausspielte.
Nach der Seitenverlagerung von Knoche zu Trimmel, wurde der Ball von diesem direkt weitergeleitet und von dem überlaufenden 8ter Becker eingesetzt, der an der Eckfahne die Flanke schlug, die Zakaria mit der Hand berührte.
Die Borussia war in erster Linie bemüht, das 5-4-1 so kompakt wie möglich zu gestalten, um keine Zwischenräume herzugeben. Situativ wurde der Trigger-Moment wahrgenommen, um dann aus der Kompaktheit heraus, rüber ins Angriffspressing zu gehen.
Gerade zu Beginn war das 5-4-1 im Mittelfeld konstant eine Linie (Neuhaus, Kone, Zakaria und Hofmann). Wenn der ballnahe Flügelverteidiger der Berliner tief stand und dieser angespielt wurde, lief Hofmann diesen an.

Das Pressing zwang Gießelmann zum Rückpass zu Torhüter Rönnow.

Stand man dann im letzten Spieldrittel, so stellte die Fohlenelf Mann gegen Mann auf dem ganzen Spielfeld zu, attackierte den Torhüter, sobald dieser von den Innenverteidigern angespielt wurde.

Nach Zuspiel von Baumgartl zum Torhüter zurück, lief Embolo diesen an, zwang ihn zum Pass an IV-Kollegen Jaeckel, der dann von Neuhaus angelaufen wurde. Der lange Ball war die einzige Option.
Den langen Ball im Aufbauspiel der Berliner zu verteidigen, ist nicht einfach, aber die Fohlen waren darauf gut eingestellt und gewannen gerade in Person von Marvin Friedrich viele Kopfballduelle (4 von 5 Luftduellen – Quelle: SofaScore).

Gladbach im Anlaufen effektiver, wenn Zuteilung stimmt
Wenn Netz sich im Halbraum nicht von Becker binden ließ, stattdessen raus auf die Außen schob, konnte Neuhaus den RIV Jaeckel effektiver anlaufen, weil dieser auf Trimmel nicht mehr Acht geben musste.

So zwang man Union zum Rückpass, den Rönnow erreichte. Der Auslöser des Pressings begann dann, als der Torhüter einen der Innenverteidiger anspielte. Bei Zuspiel Baumgartl, für Hofmann das Zeichen, diesen vollends anzulaufen.


Die Fohlen danach aktiver im Ballbesitz
Der Ballbesitzwert zum Zeitpunkt des Ausgleichstreffers von Manu Kone (40. Minute) veränderte sich für die Fohlen von 39% (Zeitpunkt Gegentreffer) zu 55%.
Dies hing auch damit zusammen, dass Union den Fokus auf das Konterspiel setzte, aber auch damit, dass die Borussia versuchte eine aktivere Spielkontrolle zu haben.
Es fiel auf, dass die linke Seite der Fohlen überladen wurde.
Dazu gab es Rotationen von den spielstarken Spielern, die sich links – diametral neben Elvedi – fallen ließen, meist in Personen von Neuhaus, Hofmann oder Kone.
Die Positionierung hatte den Vorteil, dass Luca Netz hochschieben und somit seinen Gegenspieler Trimmel binden konnte. Durch die Entfernung von Trimmel, war Becker im Anlaufen in Unterzahl gegen Elvedi und Neuhaus (Abb. 14).

Neuhaus konnte nach Zuspiel dann auf die Kette zulaufen, und Netz hinter dieser tief spielen.

Wenn Kone sich links fallen ließ, gabs häufig das Missmatch im 1-gegen-1 für Trimmel, der gegen den Franzosen Schnelligkeitsnachteile hatte. Auch hier ist die Positionierung von Netz wichtig, um Kone den Freiraum zu gewähren und gleichzeitig seinen Gegenspieler zu binden.

Trimmel hatte Probleme in der Zustellung von Kone, weil er als ballferner Flügelverteidiger in die Kette einrücken musste, da eben Gießelmann auf der anderen Seite aus dieser raus lief. Neuhaus band Becker im Zentrum, sodass der Freiraum für die Seitenverlagerung von Ginter zu Kone gegeben war.

Neuhaus erkannte die Situation, ging den tiefen Laufweg, zog somit den IV mit sich. Dies bedeutete eine Verschiebung der restlichen Union-Kette auf dessen Seite, welche für Lainer in der Seitenverlagerung Raum bedeuteten.


Embolos Glanzmoment und Hofmanns Tiefenläufe
Embolo war – neben dem Aufbaumuster – immer wieder ein Ziel für Chipbälle. Die Ablagen waren durchschnittlich, aufgrund der Positionierungen der Mitspieler.
Beim Ausgleichstor der Fohlen fing das Andribbeln vom Unioner Innenverteidiger einleitend dazu an. Baumgartl verlor tief in Gladbachs Hälfte den Ball, fehlte hinten in der Kette, sodass 6er Khedira ihn absichern musste.

Embolo war in dieser Situation zugestellt, schaffte es mit seiner Dynamik in der Bewegung, Gegenspieler Knoche zu tunneln und den tiefen Pass zu spielen. Hofmann erkannte früh die Situation und den Raum hinter der Kette.

Das Fehlen von Baumgartl machte sich dahingehend bemerkbar, dass Khedira ihn in der Kette absichern musste und dadurch im 6er-Raum / Zone 14 fehlte.
Kone stach in den Raum hinein und vollendete technisch stark!

2. Halbzeit: Kone Dreh- und Angelpunkt im Aufbauspiel
Gladbach baute geordneter auf, vor allem Kone agierte positionsgetreu, ließ sich selten auf die Außen fallen.
Daraus entstand eine 3-2-5 Formation.

Die Fohlen wollten Kone im Aufbau im zentralen Bereich (ausweichend in den Halbraum) des Spielfelds haben. Dies gelang, indem Ginter und Lainer als Breitengeber agierten, somit 6er Prömel und LFV Gießelmann raus lockten (Abb. 24 – Gelb-markiert). Das hatte zur Folge, dass Khedira als zentraler 6er rausschob, um Kompaktheit zu schaffen. Dies eröffnete den Passweg zum Zielspieler Embolo.
Anders als in der ersten Hälfte, schaffte es die Elf von Adi Hütter, den Schweizer flach anzuspielen.

Kone und Embolo erzeugten Dynamik in den Angriffen – im Doppelpass lösten sie das Mittelfeld auf. Hofmann lief bereits vorher tief, blieb in der Schnittstelle.
Das Tempo, kombiniert mit dem weiten Weg zum Tor, verhalf der Unioner-Abwehr zum rechtzeitigen Ballkontakt.


Das Muster war gegeben. Kone im tiefen, zentralen Aufbau -> Pass ins Zentrum zu Embolo/Neuhaus -> Hofmann in der Tiefe finden.
Dazu leistete sich Union ein sorgloses Anlaufverhalten, welches dafür sorgte, dass Kone in der Szene sorglos aufdrehen und Neuhaus finden konnte. Die Folgeaktionen der Union Kette (Durchschieben auf Neuhaus u. Embolo) kamen zu spät.



Hohes Spieltempo sorgte für gelegentlichen Zugang in die gegnerische Box
Die Borussia verstand es, das Spieltempo hochzuhalten. Dazu hat man in den vorgebebenen Mustern im Aufbauspiel, nur den nötigsten Ballkontakt gehabt, um diesen dann weiterzuleiten. Steil-Klatsch-Steil-Muster, Freilaufbewegungen und Tiefenläufe sorgten dafür, dass die Borussia in Tornähe gelangen.


Großchance von Luca Netz und der Doppelschlag von Max Kruse
Als Gladbach – vor allem durch ihre mehr als guten Gegenpressing-Momente – immer mehr Druck erzeugte, und Luca Netz in der 77. Minute die Großchance zum Führungstreffer vergab, nutzte Max Kruse im Gegenzug kurz vor Schluss die Gunst der Stunde und traf zum 1:2 Sieg der Unioner.
In der Reihenfolge – Chance Luca Netz:
Der Abschlag von Sommer leitete den Angriff ein. Embolo verlor zwar das Kopfballduell, allerdings war die Positionierung rund um den zweiten Ball bei BMG besser (gelb-markiert), sodass diese, den Ball festmachen und verlagern konnten.

Ginter schob an, lief bis ins letzte Drittel hinein. Nach abgefälschter Flanke, verhalf das gute Gegenpressing von Zakaria, Lainer und Kone, den Konter zu verhindern.
Zakaria war im Ballbesitz gut positioniert, hatte eine gute Anbindung im Rückraum – neben Lainer – um Ginter abzusichern.

Der Pass zum Stürmer der Unioner war verpufft, indem Kone im direkten Zweikampf war, der von Friedrich abgesichert wurde. Lainer stellte zusätzlich zu, sodass der Angreifer keinen Ausweg nach innen, oder nach hinten zum „Sicherheitspass“ ansetzen konnte.

Der Ballgewinn sorgte für die nächste Welle. Ginter stand, wie Hofmann breit, der den tiefen Laufweg machte und somit seinen Gegenspieler aus dem Zentrum wegzog. Der Pass vom Innenverteidiger ins Zentrum hinein, ließ Zakaria durch, startete gleichzeitig in die Tiefe, wie Ginter – damit dieser von Embolo eingesetzt werden konnte. Dabei ist die Positionierung von Luca Netz am zweiten Pfosten von elementarer Bedeutung, der dadurch in der Box gefährlich werden konnte.

Nach Abpraller von Ginters Schuss, landete der Ball bei Netz, der diesen nur schwer verarbeiten konnte.

Gegentor zum 1:2 in der Entstehung
Gladbach verlor zwar den Ball im Zentrum leichtsinnig, aber das Gegenpressing war auch in dieser Szene sehr stark. Neuhaus und Herrmann attackierten den ballführenden Gegenspieler. Kone, Ginter und Zakaria hatten eine gute Anbindung, somit in Ballnähe – gleichzeitig zur Absicherung da.

Der Ball landete beim Gegenspieler von Ginter, der durch dessen Balldruck, zum Rückpass gezwungen war, den Lainer umgehend anlief.

Der dadurch gezwungene lange Ball, wurde dann Mittel zum Zweck. Zakaria ging nicht ins Kopfballduell, dadurch konnte Union den Ball festmachen und letztendlich auf ihre rechte Angriffsseite verlagern (Trimmel).

Zur Flanke und dessen Zuordnung von Union hat @TobiasEscher getwittert.
Die Zuordnung von Herrmann in letzter Linie statt Lainer, war die Folge des Anlaufens vom ursprünglichen RV, der den weiten Weg zurück hatte.

Der unglückliche Klärungsversuch von Zakaria landete beim LFV Gießelmann, der von Lainer zu spät und passiv attackiert wurde. Herrmann verpasste den Zeitpunkt, um den tiefen Lauf von Kruse mitzugehen, sodass der deutsche Außenverteidiger im durchstecken des Passens keine größeren Probleme hatte.


Fazit
Die Borussia veränderte ihren Ansatz. Dieser sorgte dafür, dass die Fohlen allerdings zu passiv begannen und sich erst ab der 25. Minute aktiv trauten, das Heft des Handelns zu übernehmen. Zwar war die Spielkontrolle dann gegeben, allerdings schaffte man es nicht, die drei Offensivspieler in Aktion zu bekommen. Auch weil sich Neuhaus und Hofmann oft um den Aufbau bemühten, welcher in der zweiten Halbzeit etwas vernachlässigt wurde, um in letzter Linie aktiver zu sein.
Das Gegenpressing war über 90 Minuten gut!
Zwar hatte Union nach ihrer Führung zwei Umschaltaktionen im Konterspiel, welche aber auf individuelle Stellungsfehler / dem Fehlverhalten in der letzten Kette geschuldet waren.
In der zweiten Halbzeit hatte man mehr Kontrolle, mehr Ruhe am Ball, um mit Kone aus der Zentrale Dynamik zu erzeugen. Die 3-2-5 Grundordnung war klarer und strukturierter zu erkennen, sodass der Franzose das Spiel im Aufbau – zusammen mit Matthias Ginter – an sich zog.
Insgesamt eine verbesserte – und vor allem, eine „back to the roots“ Spielanlage, in der sich diese Mannschaft wohler fühlte.
Die Präsenz in der Box – die letzte Durchschlagskraft fehlte auch gegen Union.
Diese wird nötig sein, um Bollwerke wie von Arminia und des FCA zu durchbrechen.
*Alle Abbildungen von der Plattform Wyscout – und selbst bearbeitet.