Nun ist es also so weit: Nach über 14 Jahren als Sportdirektor verlässt Max Eberl Borussia Mönchengladbach. Damit geht ein gefühltes Jahrhundert mit dem Panther unter den Fußballmanagern zu Ende. Ziemlich genau 100 Jahre ist es her, dass Rainer Maria Rilke sein Gedicht zu jenem Tier im Jardin des Plantes in Paris verfasste. Heute soll es mir als Symbol für Max Eberls Abgang von Borussia dienen.
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Müde wirkte Eberl in der Pressekonferenz vor Borussias DFB-Pokal Partie gegen Hannover 96, was sich durch einen passiv-aggressiven Auftritt ausrückte. So einsilbig und reizbar war der Sportdirektor selten zu beobachten. Das hatte sicherlich mehrere Gründe: Der ausbleibende sportliche Erfolg des zurückliegenden Jahres, die schwer veränderbare Zusammenstellung des Kaders, der Transfermarkt und selbst verschuldete vereinsinterne Unruhen. Eberl war ein besonnener, aber auch ein bestimmender sportlicher Leiter. Einer der meist zum richtigen Zeitpunkt auf den Tisch haute und auch nicht davor zurückschreckt, die eigenen Fansöffentlich zu kritisieren. Das geschah öfter in letzter Zeit. Ob zurecht oder nicht, wird noch weiter zu diskutieren sein. Was alle sahen: Die innere Ruhe ist dem Kaderschmied nach Heckings Kündigung langsam aber sicher abhanden gekommen.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Wie in Gefangenschaft muss sich Max Eberl manchmal gefühlt haben. Gewiss nicht im eigenen Verein, in dem er sich fast alle Freiheiten und uneingeschränktes Vertrauen erarbeitet hat. Gefangen war er im System des „kleinen gallischen Dorfs am Niederrhein“ aus dem heraus er kompetent und smart agierte. Die finanziellen Möglichkeiten in Gladbach waren selbst in den erfolgreicheren Tagen immer noch meilenweit von denen der direkten Konkurrenz aus Leipzig, Dortmund, Leverkusen und anderen entfernt. Aber Max Eberl kann etwas Großartiges, Talente finden. Marco Reus oder Granit Xhaka wurden nach Jahren bei Borussia für viel mehr Geld verkauft. Aber auch kreative Transfers gestandener Spieler, wie Raffael und Martin Stranzl beweisen Max Eberls Können. Beim Buhlen um Talente und beim Versuch diese schließlich zu halten, musste sich der gebürtige Bayer oft genug dem großen Geld geschlagen geben. Öffentlich sprach man dann von den damit verbundenen sportlichen Perspektive. Das war und ist ein endloser Kampf, der immer wieder an den gleichen Stäben des Käfigs endete.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
Immer wieder schlich der Panther vom Niederrhein durch die Republik und ganz Europa. Gemeinsam mit seinem Team um Steffen Korell suchte und verpflichtete er neue Talente und Spieler mit hohem Potenzial. Der Ausdruck „ein typischer Eberl-Transfer“ beschreibt seine spezielle Art von Spielerverpflichtung: Eine, die einfach von vorne bis hinten Sinn macht. Er scheint seine Spielerbeute lange zu beobachte, um sie dann im richtigen Zeitpunkt schnell und sicher vom Gladbacher Weg zu überzeugen. Max Kruse für 2,5 Mio. und Lars Stindl für 3 Mio. Euro sind nur zwei Beispiele. Granit Xhaka, der seinen Marktwert bei Borussia verzehnfachten, ist ein anderes. Und dann? Rinse and Repeat.
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Der große Wille Eberls, genau das immer wieder zu tun, war bis zuletzt spürbar. Für diesen Weg –Transfereinnahmen zur eigenen Finanzierung zu nutzen – hat sich Borussia Mönchengladbach entschieden und der sollte auch so durchgezogen werden. Nur manchmal gibt es Faktoren, die selbst ein Max Eberl nicht kontrollieren kann. Hinterlistige Spielerberater mit abnormen Gehaltsvorstellungen oder Spieler, die sich zu Höherem berufen fühlen. Und es gibt eine Pandemie, die Stadioneinnahmen verschlingt und den Transfermarkt auf den Kopf stellt. All das haben es Max Eberl in den letzten Jahren sehr viel schwerer gemacht. Um es platt auszudrücken: Wenn niemand geht, kann auch niemand Neues kommen. Und es ging niemand – der Ausgang dieser Rechnung sollte bekannt sein. Währenddessen werden bei der Konkurrenz aus Wolfsburg schon in der Winterpause hohe Millionentransfers getätigt. Leipzigs Verbindlichkeiten für Spieler verschwinden auf magische Weise. Das Enteilen der Konkurrenz scheint unausweichlich.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
Ein Bild von der Borussia hatte Max Eberl immer. Die Borussia sollte modern, handlungsfähig und sportlich gut geführt sein. Die Infrastruktur rund um den Borussia Park wurde unter seiner Leitung und der finanziellen Aufsicht von Stephan Schippers ausgebaut. Ein Hotel mit integriertem Reha Zentrum und Arztpraxis entsanden. Es wurden neue Stellen geschaffen. Das gallische Dorf vergrößerte sein Fundament. Jedoch stand eins immer an erster Stelle für Borussia: Unabhängig bleiben.
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.
Doch ist Borussia unabhängig? Finanziell theoretisch schon. Und das hat einen Preis, den der Verein in Kauf nimmt. Hat sich Borussia vielleicht abhängig gemacht einem Mann, der in seiner aktiven Karriere nicht ein Tor geschossen hat. Das wird sich noch herausstellen.
Bei der Verkündung von Marco Roses Abgang nach Dortmund sagte Eberl „Kein Mensch steht über dem Verein“. Doch es scheint fast so, als wäre das in den letzten Jahren nicht mehr der Fall gewesen. Ich stimme ihm zu, kein Mensch steht über Borussia. Er stand aber immer für und zur Borussia. Aus Fohlen werden vielleicht niemals Büffel werden, jedoch lebte ein Panther friedlich unter den Fohlen.
Ich habe Max Eberl viel zu verdanken. Ich habe beim Sieg über Bochum das Wohnzimmer zusammengeschrien, unglaubliche Siege gegen die Bayern bejubelt, einen unaufhaltbaren Raffael Dribbeln sehen, war beim Auswärtsspiel in Rom und hatte bei Granit Xhakas Abschied Tränen in den Augen. Er war nie ein Mann des Risikos und als er anfing jenes mit Marco Rose einzugehen, begann der Zefall. Die Namen Raiola, Schaller und einige andere haben ihren Teil dazu beigetragen. Ich werde dich vermissen, aber jedes Ende ist auch ein neuer Anfang.
Lott Jonn, Max.