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Gladbachs Plan gegen ein starkes Pressing von Hertha

Drei Spiele, sieben Punkte für die Fohlenelf. Ein gelungener Start. Mit einer ordentlichen Portion Selbstvertrauen kann es nach München gehen.
Allerdings traf die Elf von Daniel Farke auf eine Berliner Mannschaft, die eine gute Struktur und Organisation im Pressing bewies. Taktische Flexibilität machte sich in der Elf von Sandro Schwarz ebenso bemerkbar.
Eine gute Auswärtspartie der Berliner!

Passmap Hertha BSC

Bei der Passmap von Hertha wird schnell deutlich, welche Grundidee Sandro Schwarz mit seiner Mannschaft verfolgt hat.
Die Dicke der Linien kennzeichnen die Häufigkeit der Pässe von Mitspielern untereinander aus.
Umso dicker die Linie, desto mehr Pässe wurden untereinander gespielt.
In diesem Fall wird deutlich, wie vertikal die Gäste spielten.
Die Bälle von den Außenverteidigern gingen vertikal in die letzte Linie, bestenfalls hinter die Abwehrkette der Fohlen.
Es wurden kaum Bälle ins Mittelfeldzentrum gespielt.
Dies hatte zu einem mit der (vertikalen) Spielidee zu tun, zum anderen mit dem Pressing der Fohlen, welches die Berliner häufig auf die Außen lenkte.
Näheres dazu im Anlaufverhalten der Fohlen.

Passmap BMG

Der Kontrast zwischen den beiden Passmaps wird umgehend deutlich:
Die Fohlen haben in ihrem Spiel viel mehr Diagonalität enthalten. Bälle vom Links- und/oder Innenverteidiger zum Sechser, von dort aus zum diagonalen Halbfeld, werden recht deutlich.
Besonders Elvedi, Itakura, Kramer und Kone hatten ihre Spielanteile im Ballbesitz.

BMG Aufbau: Erst 2+1, dann 3+1, um Tousart aus dem Weg zu gehen

Die Fohlen bauten am Anfang der Partie aus einer 2+1 Struktur heraus, in der Kramer den zentralen Part vor der Kette übernahm, während Kone sich in den halblinken Raum, asymmetrisch zu Kramer, positionierte. Plea, Neuhaus und Hofmann agierten in zentralen Zonen in den Zwischenlinien, während Bensebaini und Scally für Breite gesorgt haben.
Thuram band zunächst zentral zwischen den Innenverteidigern diese, dies sollte sich im Verlauf der Partie ändern. Näheres dazu später.

Während die Hertha nominell im 4-5-1 gegen den Ball agierte, brach Tousart aus der Mittelfeldkette heraus, um Elvedi zu pressen.
Im Deckungsschatten behielt Tousart seinen Gegenspieler Kone, alternativ wurde er von Sunjic übernommen.

Durch die zentrale Raumbesetzung in vorderster Linie von Kanga, war Kramer zugestellt, sodass Elvedi die einzig offene Option hatte, Itakura anzuspielen.
Für Flügelspieler Ejuke der Pressingauslöser, um den Innenverteidiger unter Druck zu setzen.
Kramer war geschlossen. Somit musste die Borussia zu Beginn öfter über Sommer neu aufbauen.

Hertha war grundsätzlich um Kompaktheit bemüht. Durch die zusätzlich eng gestaffelte 4er-Kette, konnte die Hertha mit ihren Außenverteidigern im Halbraum für Zugriff sorgen, wenn Plea oder Hofmann bespielt wurden.
Die Flügelspieler Lukebakio und Ejuke standen breiter, als ihre AV, allerdings nicht zu breit, sodass sie ebenfalls die Verbindung zu den Halbräumen hatten, aber auch die Flügel rechtzeitig attackieren konnten.

So entstanden zunächst für BMG Chancen, wenn Elvedi oder Itakura den direkten langen und tiefen Ball, hinter die Kette spielten, um Thuram zu erreichen, der auf den nachrückenden Plea ablegen konnte (Pfosten 7´).

Für Hertha galt, dass Umschaltspiel nach Ballgewinn zu forcieren, um im Konterspiel (z. B. Lukebakio, nach unglücklichem Klärungsversuch von Kramer, oder im obigen Bild nach Ballgewinn von Kenny im Halbraum) für Torchancen zu sorgen.

Kone ließ sich nach den ersten zehn Minuten öfter in die erste Linie fallen, bildete eine 3er-Kette im Aufbau. Dadurch hatte er mehr Bindung zum Spiel, als in der höheren Positionierung hinter Tousart.
Das hatte gleich mehrere positive Auswirkungen auf das Spiel der Fohlen.
Mit Kones Präsenz am Ball, und seiner Spielgestaltung, konnten Elvedi und Kramer öfter entlastet werden.
Das Spiel gewann mehr an Progressivität.
Des Weiteren konnte Plea in tiefere Zonen agieren (ehemals Kones Position).
Dadurch, dass Tousart auf Kones Position reagierte, ergaben sich in dessen Rücken im 4-4-2, Zwischenräume, die größer wurden.
Diese konnte Plea für sich finden, und wurde regelmäßig durch z. B. das Spiel über den Dritten (Kone findet Thuram, er lässt auf Plea klatschen) gefunden.

Das Aufbauspiel in der 3+1 Struktur war für Gladbach effektiver.
Wenn Kramer die erste Linie im halblinken Raum besetzte, musste Lukebakio darauf reagieren und diesen pressen.
Dadurch, dass Tousart aber in 4-4-2 Staffelungen weiterhin vorne presste, musste Sunjic sich um die größer werdenden Zwischenräume kümmern. Serdar war um Kompaktheit in der Linie bemüht, verschob mit. Ejuke war noch im Pressingschema integriert, Itakura bei Zuspiel zu pressen, obwohl im 4-4-2, dies Kanga tun sollte. So öffnete sich regelmäßig der Zwischenraum im diagonalem Halbfeld.

Thuram band inzwischen nicht mehr im Zentrum, sondern den jeweiligen ballnahen IV, indem er sich im Halbraum in letzter Linie positionierte.
Damit wollte er ein Ausbrechen der Verteidiger auf den im Zwischenraum postieren Gladbacher verhindern, sodass diese bei Zuspiel aufdrehen konnten.

Es sind, wie immer im Fußball, Details, die auf diesem hohen Niveau Dinge beeinflussen können, die Wahrscheinlichkeiten erhöhen, Phasen im Spiel zu haben, die für das Spiel prägend sind.

Hertha hatte mit der Gladbach-Struktur zu kämpfen, ließ sich in Folge tiefer rein fallen und Tousart reihte sich wieder in die Mittelfeldreihe ein, sodass sich wieder ein 4-5-1 ergab.
Bei der Entstehung des Handelfmeters in der 33´, konnte Kone tief andribbeln, ehe Tousart presste. Dieser konnte Thuram in letzter Linie finden, der mit Neuhaus auf die halbrechte Seite zu Hofmann verlagern konnte. Die 4er-Kette der Berliner zog sich bei direkten Bällen in die Linie noch enger zusammen, sodass sich der Platz im Halbraum für Hofmann vergrößerte.

Gladbachs Anlaufen: Vorne 2 vs. 4-Unterzahl, hinten dafür Überzahl

Im Anlaufen ging Gladbach vorne bewusst eine 2-gegen-4 Unterzahlsituation ein (mit Keeper inbegriffen), um in letzter Linie 4-gegen-3 Überzahl zu haben (Lukebakio, Kanga und Ejuke).
Während Thuram und Neuhaus pendelnd agierten, also einer presste den ballführenden IV an, während der andere, den Sechser mannorientiert zustellte, konnten diese, raumgewinnende Zuspiele der Hertha verhindern.

Gladbachs ballnaher Sechser (i. d. F. Kramer) stellte Herthas ballnahen 8ter zu, während BMGs ballferner Sechser (i. d. F. Kone) ins Zentrum einrückte, um abzusichern.
Hofmann und Plea pressten die AV.

So mussten die Berliner vor allem in der ersten Anfangsviertelstunde lange Bälle spielen, die oft über Innenverteidiger Kempf erfolgten.

Zweite Halbzeit:

In der zweiten Hälfte der Partie wurden die Rollen fester. Gegen Ende der ersten Halbzeit verpasste BMG das Zustellen von Sunjic, der dies mit einem langen, tiefen Ball bestrafte, den Lukebakio annahm und zu einer großen Torchance führte.
Neuhaus agierte nun fest in der Mannorientierung gegen Sunjic, und presste aus dieser heraus, wenn Kempf den Ball erhielt. So musste dieser oft den Ball auf die Flügel spielen, weil das Zentrum geschlossen gehalten wurde.
Die Abläufe der Sechser blieben die selben.

Hertha in der zweiten Halbzeit nun höher und aggressiver im Pressing

Hertha presste in der zweiten Halbzeit höher und aggressiver in klaren 4-4-2 Strukturen.
Tousart und Kanga pressten Sommer, Elvedi und Itakura.
Dahinter ergaben sich Mannorientierungen von Serdar und Sunjic gegen Kone und Neuhaus.
BMG wurde somit öfter zu langen Bällen gezwungen,  wenn sie auf den Flügel gedrängt wurden. Kramers Positionierung bzw. Freilaufen in Zwischenlinien war nicht optimal und nicht mutig genug, um über ihn auflösen zu können.

Dazu kam, dass die Fohlen zu langsam in deren Positionsspiel kamen, sodass Serdar Kramer zustellen konnte, ohne Neuhaus neben sich stehen zu haben. Für BMG wurden somit weniger Optionen frei, von hinten flach raus zu eröffnen.

Anlocken und Überzahl in letzter Linie: BMG ließ viel Potenzial für echte Torgefahr liegen

BMG beruhigte sich nach den starken 5-7 Min von Hertha und nutzte dessen Pressing, um anzulocken und Räume frei zu spielen.
Die tiefe Doppel-6 als Pressingköder, war schon im Vorbereitungsspiel gegen Real Sociedad zu erkennen. Kone wich raus, besetzte den freien linken hohen Halbraum.

In der unteren Abbildung ist zu erkennen, wie Borussia die letzte Linie überfüllt und Überzahl schafft. Kenny musste auf den freien Kone rausschieben.

Die Borussia schaffte es paar Mal leider nicht, unglücklicherweise (keinen Vorwurf an Spielern, Fußball ist in vielen Referenzpunkten auch von Glück und Pech abhängig), die letzte Aktion auszuführen, um den Angriff tatsächlich durch zu spielen.
Kone schaffte es im vorherigen Beispiel nicht, den Ball zu Plea durchzudrücken; Plea selbst im unteren Beispiel haderte mit Kempf, der ihn im Rücken überraschte.

Das Anlocken hat strukturell funktioniert, die Positionierungen waren nicht ideal, aber gut genug, um die Angriffe durchzuspielen.
Wäre in dieser Phase ein Tor gefallen, welches vom Potenzial des Angriffs mehr als realistisch gewesen wäre, hätte sich die Borussia vermutlich Kopfschmerzen gegen Ende der Partie erspart.
Wichtig ist, dass die Strukturen und Prinzipien, wie man die Angriffe durchführen will, sitzen und gefestigt sind. Diese sehen bereits sehr gut aus.

Boetius Einwechslung und Schwarz´ Reaktion auf BMGs 4-3-3

Schwarz reagierte auf die tiefe Doppel-Sechs, und phasenweise 4-3-3 Staffelungen.
Mit Boetius brachte der Coach für Sunjic einen Achter, und stellte auf ein 4-1-4-1 gegen den Ball um.
Tousart, vorher neben Kanga in Doppelspitze angelaufen, nun alleiniger Sechser.

Aus dem 4-1-4-1 konnte der ballnahe Achter den ballführenden Innenverteidiger anlaufen und im Deckungsschatten einer der Sechser von Borussia schließen. Der ballferne Achter stellte mannorientiert den im Zentrum postierten BMG-Sechser zu (Kramer).
Tousart agierte ballnah und sicherte Boetius und Serdar ab.

In dieser Phase tat sich Gladbach schwer, schlug wieder öfter lange Bälle. Sie verloren nicht die Kontrolle, aber es pendelte ein wenig in Richtung eines 50:50 Duells, ehe der Platzverweis (69´) für endgültige Feldvorteile für Gladbach sorgte.

Fazit: Guter Gegner, noch besseres Gegenpressing von Gladbach

Die Borussia kontrollierte in der ersten Halbzeit den Gegner, ließ zwei Mal unglücklich Umschaltmomente der Hertha zu, als Scally weg rutscht (dreht er stattdessen auf, entsteht im Halbfeld gegen Mittelstädt eine 2-gegen-1-Überzahlsituation mit Hofmann), und Kramer den Ball unglücklich klärt, und Lukebakio im Sprint an Bensebaini vorbeizieht.

Die Hertha leistete ihren Teil dazu bei, dass die Borussia über der Kontrolle hinaus, nicht zu vielen Torchancen aus dem Spiel heraus kamen.
Ihre Struktur verlor lediglich in Mitte der ersten Halbzeit ein wenig den Faden, als die Borussia flexibel in 3+1 Strukturen aufbaute.

3 Spiele, 7 Punkte. Erster Sieg zu Null.
Nach einer Saison 21/22 voller Sorgen, mit einem neuen Trainer, ist dies ein sehr guter Start.
Auch, wenn die Borussia sicherlich an Dingen zu arbeiten hat, stimmen die grundsätzlichen Strukturen auf dem Feld sehr.
Auch das Gegenpressing griff sehr gut. Speziell in der ersten Halbzeit war dies beinahe ein Lehrbeispiel, wie man sich im Gegenpressing als Mannschaft verhält.
Elvedi, Kone und Kramer hatte insbesondere starke Momente in der Ballrückeroberung.

Der PPDA-Wert speziell in den ersten 30 Minuten (5.0 und 4.4) sind bärenstark.
Zum Vergleich: Die Leverkusener sind in dieser Statistik ligaführend mit einem PPDA-Wert von 6.75, gefolgt vom FCB 7.49.

Die Basis, die Borussia momentan auf dem Feld zeigt, ist eine, die niemals verloren werden darf. Denn, diese kann noch zu dem einen oder anderen Dreier verhelfen!

Podcast zum Spiel #BMGBSC:


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