Ein Remis im Abstiegsduell in Bielefeld. Das Spiel wird von den Fans mit zweierlei Maß bewertet. Zwischen „Der Auftritt war in Ordnung“ bis „im Spiel hat sich nach 14 Tagen Training nichts geändert“ ist alles dabei.
Der Reihe nach!
Die Aufstellungen
Frank Kramer stellte seine Elf in einem 4-2-3-1 auf. Die Abwehrreihe bestand aus Brunner, Ramos, Nilsson und De Medina, unterstützt wurden diese von Kunze und Vasiliadis auf der Doppel-6. Die Flügel besetzten Krüger und Wimmer, während Okugawa und Serra in der Zentrale agierten.
Adi Hütter musste den COVID erkrankten Kramer ersetzen, tat das durch Plea, der auf der halblinken 10 agierte, während Neuhaus eine Reihe zurücksetzte. Bensebaini spielte für Netz.
Ansonsten war das dieselbe Elf im 3-4-2-1, wie im vergangenen BuLi-Spiel gegen Union Berlin.
Ideenlose erste halbe Stunde im Aufbauspiel der Fohlen
Gladbach baute zunächst aus einer statischen 3er-Kette auf. Dabei agierten die beiden seitlichen Verteidiger der Kette – Ginter und Elvedi eng, statt breit.
Neuhaus galt als Zielspieler im zweiten Spieldrittel, der allerdings kaum zu finden war.
Bielefeld agierte gegen den Spielmacher der Fohlen.
Pressingmuster Arminia Bielefeld:
Dazu hatte Wimmer seinen Anteil, dass Neuhaus nicht oft gefunden wurde.
Wenn BMG in Person von Ginter aufbaute, rückte Wimmer als ballferner Flügelspieler ins Zentrum hinein, um Neuhaus zuzustellen.

Dadurch eröffnete dieser den Passweg von Ginter zu Elvedi, aber eben nicht diesen ins Zentrum zu Neuhaus.
Wenn Elvedi den Ball bekam, lief Wimmer aus dem Zentrum heraus an.

Das 4-Mann Gespann im Zentrum verdeutlicht:
Wenn Wimmer einrückte, um Neuhaus zuzustellen, orientierte sich 10er Okugawa zu Kone hin.

Wenn Gladbach verlagerte, rückte Wimmer erneut raus, Okugawa orientierte sich dann zum ballnahen 6er – Neuhaus – und ließ den ballfernen – Kone – außer Acht.

Erste Chance durch Hofmann, dann Bielefeld mit der Führung
Die Borussia hatte es leichter, wenn die Kette in dynamischen Situationen breiter stand. So lockte Elvedi durch sein breites Positionsspiel Wimmer weiter raus.

Man schaffte es, vier Gegenspieler auf die eigene linke Seite zu ziehen. Die Seitenverlagerung gelang, weil Bielefelds Stürmer Serra das Passfenster nicht schloss.

Der restliche Mannschaftsteil schoss somit raus. Linksverteidiger De Medina schob raus, um Lainer zuzustellen.

Der lange Ball von Ginter zu Plea wurde deshalb gefährlich, weil er im Rücken der Bielefelder-Mittelfeldkette ankam, und die Lücke, die De Medina eröffnete, Hofmann belief.
Plea steckte durch, Hofmann kam zum ersten Abschluss auf das Tor.
Das Nachrücken im Zentrum von Neuhaus und Embolo (der zunächst tief kam) waren gut, ebenfalls wie das Positionsspiel von Bensebaini am linken Flügel.

Das Gegentor in der Entstehung
Als die Gastgeber das Zentrum zustellten, sorgte das dafür, dass die Elf von Adi Hütter immer wieder über die Außen Ginter/Lainer oder Elvedi/Bensebaini auflösen mussten.
Das gefiel BMG nicht. In der Gegentorentstehung sieht man in Abb. 9 die Position von Ginter, auch wie weit Lainer noch von seinem Gegenspieler (De Medina) entfernt stand.
Die Statik im Aufbau wurde zum Verhängnis.

Man spielte sich den Ball innerhalb der Kette so lange hin und her, bis Bielefeld das Pressing vorbereitet und in Aktionsmodus umschaltete.
In Abb. 10 zu sehen, wie tief Ginter mittlerweile stand.

Friedrich war aufgrund des Pressings zum langen Ball gezwungen:
Bensebaini positionierte sich zum zweiten Ball hin.
Der Kopfball des Gastgebers gelangte unglücklich an Bensebaini vorbei, den Wimmer erreichte.

Elvedi schob mutig zu Wimmer durch, der den Ball dennoch zu Serra weiterleiten konnte.
Marvin Friedrich kann man hier mutloses Durchschieben zu Serra vorwerfen.

Serra gelang bis in die Box. Friedrich konnte den Stürmer nicht mehr angreifen, da Wimmer tief ging, den der IV mitgehen musste. Elvedi und Neuhaus waren da, allerdings nie im Zweikampf angekommen, sodass der Linksfuß zum Torschuss ansetzten konnte.

Schwächen im Anlaufen – Embolo
BMG lief gewohnt in ihrer 5-2-3 Grundordnung an. Bielefeld (auch in Abb. 14 zu sehen) baute in einer 4-1 Staffelung auf, mit einer flachen 4er-Kette und Kunze als 6er, der im Zentrum stand.

Das Problem im Anlaufen entstand im 6er-Raum der Bielefelder. Embolos Anlaufen war zu ballorientiert. Das Auge für die Positionierung des im Rücken stehenden 6er Kunze war oft nicht gegeben.
Dazu folgte, dass Neuhaus und Kone den 6er nicht zustellen konnten, weil sie selber von Vasiliadis und Okugawa tief gebunden wurden.
Beispielszene:
Ortega spielte im Aufbau den Ball zu IV Nilsson. Embolo lief den Schweden an, ließ den Passweg zum 6er offen.

Hofmann erkannte die Problematik, blieb im Halbraum stehen, als er sah, dass Nilsson den Pass auf die Außen zum LV spielte. Lainer lief De Medina an, der Passweg zu Kunze (Trikotnr. 16) war allerdings weiterhin offen, weil Embolo nie in Mannnähe war.
So konnte der LV De Medina über den 6er auflösen (Abb. 16 u. 17).


BorussiaExplained Ansatz
Gleiche Ausgangslage wie in Abb. 15, aber der BorussiaExplained Ansatz:
Embolo im mannorientierten Verhalten zum 6er Kunze, um den Passweg dahingehend zu schließen.
Hofmann läuft den IV bogenförmig an, um das Passfenster zum LV De Medina (Trikotnr. 15) zu schließen, und den Gegner auf die eigene linke Seite zu lenken.

Beim Zuspiel von IV Nr. 4 zu Nr. 3 erfolgt die Pressingfalle und Plea läuft durch, Bensebaini schiebt gegen den RV Brunner durch.
Dabei könnte eine Überzahl im IV-Zentrum gegen Serra entstehen.
Auch könnte man darauf verzichten, stattdessen Lainer hoch zum LV De Medina schieben und Ginter zum Flügelspieler Krüger (Trikotnr. 18).

Würde Nilsson alternativ zu Abb. 18 den Ball nicht zum IV Partner spielen, sondern zu Ortega, der theoretisch dann die Verlagerung zu LV De Medina offen hätte, würde aus dem BorussiaExplained Ansatz heraus, folgende Situation entstehen:
Lainer schiebt – wie eben beschrieben – aus der Kette raus, hoch zum LV. Ginter und Friedrich schieben durch.
Embolo läuft aus der Mannorientierung heraus, und erzeugt Balldruck auf Ortega, und hat gleichzeitig den 6er Kunze im Deckungsschatten.

Wenn Bielefeld nicht lang eröffnete, sondern tatsächlich über den 6er auflöste (Abb. 21), ergab sich oft folgende Raumaufteilung (Abb. 22):

Die Flügelspieler Wimmer und Krüger rückten in die Halbräume ein, dafür stießen zwei weitere Spieler in den Raum hinter der Doppel-6 der Fohlen.

Veränderung im Positionsspiel von Ginter greift – Plea mit dem Ausgleich
Ab der 30. Minute positionierte sich Ginter breiter und höher, sodass die Abwehrreihe wie eine 4er-Kette aussah.

Durch die Positionierung von Ginter konnte Lainer höher schieben und Gegenspieler De Medina binden. Hofmann erzeugte Tiefenläufe, um Ginter die diagonale Passstation ins Zentrum zu öffnen.

Bensebaini schaffte speziell in der ersten Hälfte oft, die Breite zu besetzen. Allerdings funktionierten die Seitenverlagerungen selten, und wenn, dann im falschen (zu langsamen) Tempo, sodass die Bielefelder Kette nachschieben konnte.

Das Tor von Plea, entstand aus dem gleichen Ballbesitz von Ginter:
In Abb. 26 zu erkennen, wie Ginter die Breite besetzte.
Nach Zuspiel von Friedrich erfolgte eine Flanke von Ginter, die bei Neuhaus landete und der Ballverlust dort entstand.

Das Gegenpressing war im vorherigen Spiel gegen Union Berlin über 90 Minuten gut. Gegen Bielefeld war dies teilweise der Fall. In der Entstehung des Tores zumindest schon.
Kone und Lainer sprangen ins Gegenpressing rüber, Elvedi schob mutig durch, um für Kompaktheit zu sorgen. Auch Ginter schloss den Passweg zu seinem Gegenspieler.

Nach Ballgewinn wurde der Ball erneut zu Ginter verlagert, dessen Hereingabe, nach Klärungsversuch des Bielefelders, bei Bensebaini landete.

Beim Zeitpunkt der Flanke standen fünf Gladbacher in der Kette des Gastgebers, die diese mit vier besetzten. Die Überzahl griff in zwei Situationen jeweils auf der ballentfernten Seite:
Zunächst profitierte Hofmann von der Flanke am zweiten Pfosten, die er direkt weiterleitete.

Beim Zeitpunkt des Ballkontakts von Hofmann orientierte sich die Kette dorthin. Kunze verabschiedete sich zusätzlich aus der Kette, sodass zunächst Neuhaus freistand.
Der IV Ramos musste somit vom zweiten Pfosten weg und zu Neuhaus einrücken, gab somit den Posten frei, den Plea bei Hereingabe von Hofmann besetzte.


Die zweite Halbzeit beginnend mit der Großchance für Bielefeld
Die Chance für Bielefeld ereignete sich in der 53. Spielminute.
Die Ausgangslage war der Fehlpass von Sommer in Wimmers Füße in Höhe der Mittellinie.
Ginter stand – wie ab der 30. Minute, hoch und breit, wie ein RV. Kone ließ sich zwar im ersten Moment in die Kette fallen, rückte aber nach Ballverlust von Sommer sofort raus.

Als Wimmer an Neuhaus vorbeikam, stach Bielefelds 6er in den Raum und sorgte für eine 3-gg-2-Überzahlsituation.


Ginter trifft keine Schuld, es ist lediglich die Tatsache, dass ein solcher Fehler im Aufbau eben Risiko birgt. Gerade, wenn die Doppel-6 aus Neuhaus und Kone bestehen, die ein anderes defensives Verständnis zeigten, als es bspw. ein Kramer anders täte.
Auch hier ist Neuhaus kein wirklicher Vorwurf zu machen. Der Blick geht nach vorne. Ein defensiver 6er hätte in der Situation möglicherweise erkannt, dass Kone abgesichert werden muss. Selbst dann, wäre dies schwer umsetzbar, weil Bielefelds Kunze sich schon in der Dynamik des Angriffs befand.

Kone schiebt im Anlaufen vor, Anlaufen nun effizienter
Das Anlaufen von Embolo blieb gleich, jedoch positionierte sich Kone offensiver als in der ersten Hälfte.
Die nummerische Unterzahl im Zentrum glich Kone mit seinem Deckungsschatten aus. Er rückte vor zum zentralen 6er Kunze, schloss somit die Passoption, und nutzte seinen Deckungsschatten, um die eine mögliche Verlagerung zu verhindern.


Das hatte zu Folge, dass IV Nilsson ins Risiko ging, und an Embolo vorbeidribbeln wollte, der diesen aber in einen Zweikampf verwickeln konnte. So gewann die Borussia Bälle in höheren Spielfeldregionen.
Bielefelds Reaktion auf Ginters Positionsspiel griff
Bielefeld reagierte im Laufe der ersten Viertelstunde der zweiten Halbzeit auf Ginters hohe Positionsspiel, in dem Frank Kramer seine Elf mannorientiert anlaufen ließ.
Die Flügelspieler rückten ballfern nicht mehr ein, sondern blieben breit, um die seitlichen Verteidiger der 3er-Kette unter Kontrolle zu haben.

Individuelle Fehler der Gastgeber sorgten für zwei Kontermöglichkeiten für Hofmann
Bielefeld riskierte in den letzten 10 Minuten ein wenig mehr, positionierte ihre Außenverteidiger höher, dafür rückte allerdings nur einer (6er Kunze) zurück. Bestehend aus einer 3er-Kette, war dies die Restverteidigung der Gastgeber.
Schöpf verlor nach zunächst gewonnenem Ball diesen wieder mitten im Zentrum, sodass Plea mit Ball vorbeizog und Hofmann tief schickte. Es entstand eine 3-gegen-2-Situation, allerdings war Thurams Weg noch sehr lang, selbst wenn der Pass von Hofmann beim Franzosen angekommen wäre.


Die zweite Konterchance entstand ebenfalls aus einem krassen individuellen Fehler von Bielefelds Neuzugang Bello, der einen Pass unglücklich mitten ins Zentrum in Thurams Füße spielte.
Der Stürmer setzte sich dann stark gegen IV Nilsson durch, und spielte erneut Hofmann tief an.
Pleas Laufweg war nicht vorteilhaft, da er den Laufweg nicht kreuzte. Somit konnte IV Ramos sich ein Stück zurückfallen lassen, ohne dabei die Nähe zu Hofmann zu verlieren.



Fazit – Die Borussia versteht worum es geht, doch die Ideenlosigkeit hemmt!
Die Borussia verstand worum es geht. Abstiegskampf. Um nichts anderes!
Das spürte man bei allen. Auch bei den oft kritisierten Spielern wie Plea, Neuhaus und Ginter.
Die Körpersache stimmte. Die Reaktion nach dem Gegentor war stark. Jetzt erst recht!
Das ist die Basis für den Abstiegskampf!
Doch:
Die Ideenlosigkeit im Offensivspiel, welches sich an der Anzahl an Ballkontakten von Ginter (94; Neuhaus: 69) zum Beispiel festmachen lässt, hemmt die Borussia.
Plea spielte erstmals wieder tiefer, fand Lösungen. Musste diese finden. Neuhaus wurde speziell in der ersten Hälfte aus dem Spiel genommen. Plea entwickelte sich zum halben Spielmacher und versuchte für Anbindung zu sorgen.
Welche Muster entwickelte Borussia außerhalb des eigenen Drittels?
Das Gefühl, dass die Offensive von individuellen Ideen besteht, entwickelt sich immer mehr.
Dieser wird allerdings notwendig sein, da der Gegner am kommenden Samstag – FC Augsburg – ebenfalls kompakt und tief stehen wird.
Borussia Mönchengladbach will nicht absteigen! Das sieht man! Aber das „Wie?“ auf dem Feld, wenn der Ball im Mittelpunkt steht, ist ungeklärt.
2 Antworten auf „DSC vs. BMG 1:1 – Das Remis in der Taktikanalyse“
Danke für deine Analyse!
Leider bestätigt das meinen Eindruck, dass Hütter es bislang nicht geschafft hat, der Mannschaft ein effektives und spielerisch angelegtes Offensivkonzept zu vermitteln. Daher verfestigt sich meine Meinung, dass Hütter einfach der falsche Trainer für diese Mannschaft ist.
Ich hoffe noch, dass ich mich täusche.
[…] das Anlaufverhalten in vorderster Linie fruchtet (Dazu gibt es bereits mehrere Analysen hier und hier), noch das tiefe Verteidigen.Was nun, Adi […]