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DERBYSIEG! Fohlen kontrollieren sich zum Sieg – Spieltaktische Analyse

Die Fohlen gewinnen endlich wieder das Derby und schicken die Elf von Baumgart mit 5:2 zurück nach Köln.

Die Fohlen kontrollierten sich zum Sieg. Zur Wahrheit gehört auch: Beide Teams spielten in Gleichzahl gleichermaßen taktisch diszipliniert und gaben kaum Räume, die der Gegner gerne haben wollen würde. Drei Standardtreffer, die fielen, davon zwei für die Fohlen, entscheiden die erste Halbzeit.

Wie es dazu kam, dass beide Mannschaften selten ins Angriffsdrittel gelangen, was dies mit dem jeweiligen Defensiv- und Gruppentaktischen Verhalten zu tun hatte, und wie sich die gelb-rote Karte von Florian Kainz bemerkbar machte, findet ihr hier in der Analyse von Deniz.

@DenizimHalbraum

Spieleröffnung KOE: 3vs2-Überzahl erste Linie; Überladen der dritten Linie; Wie fing BMG das auf?

Wie in der Gegneranalyse zuvor analysiert, baut der FC häufig aus 4-1 Strukturen auf, in denen die Außenverteidiger situativ bzw. matchplanabhängig höher/tiefer stehen.

Hector und Schmitz füllten die zweite bzw. dritte Linie; Schwäbe gab den zentralen Part in der Kette als zusätzlicher Aufbauspieler.

Durch die höher postierten AV, versuchte Köln Gladbachs Flügelspieler Stindl und Hofmann breit zu binden, um Überzahl in dritter Linie herzustellen. Baumgart und Co. gingen vermutlich davon aus, dass sie ihre Außenverteidiger in größeren Räumen angespielt bekommen, da Gladbachs Flügelspieler gegen den Ball nominell eingerückt und zentrumsorientiert agieren.

Dies war nun anders. Gladbach lernte aus dem Bremen Spiel – matchplanabhängig an Köln angepasst – die Flügel zu kontrollieren, in dem Stindl/ Hofmann die AV pressten, und die eigenen AV Bensebaini und Scally, eingerückt in der Kette blieben.

Der FC besetzte die Schnittstellen in den Halbräumen mit ihren Achtern, die in der Theorie, zusammen mit Hector, Schmitz und Zehner Duda mit fünf Spielern Überzahl gegen die 4er-Linie der Fohlen herstellten.

Diese Schnittstellen konnten die Gäste nicht bespielen, weil Gladbach ballnah verschob, sobald Schwäbe einer der beiden IV anspielte, sodass die numerische Unterzahlsituation aufgefangen und diese in ballferne Zonen „verschoben“ wurde.

Spielte der FC also ihre AV an, war Gladbach im Raum in Überzahl. Stindl presste Schmitz, während Bensebaini die Tiefenläufe der Achters Ljubicic kontrollierte.
Der Druck auf den Flügeln war für Hector und Schmitz zu hoch, um kontrolliert anzugreifen, sodass meist vertikale Fehlpässe in Räume entstanden, die Elvedi in der Tiefe bereits absicherte.

Die beschriebene Situation im Videoclip

Köln versuchte über die Außen, in die Halbräume vor der Kette zu gelangen, da die vertikale Spur meist von den tiefen Außenverteidiger abgesichert wurden.
Die Halbräume hatten Weigl oder Kone meist unter Kontrolle, die ballnah mit verschoben und Kainz in diesen Zonen verteidigen konnten.

Gladbachs Spieleröffnung: Viel Kontrolle über Yann Sommer, Antreiber Kone

Der FC presste, wie gewohnt, in 4-Raute-2 Strukturen. Dabei gingen sie in erster Pressinglinie in 3vs4-Unterzahl-Situationen ein, die sie mit ballfernem Einrücken auf Gladbachs Sechser und Zehner auffingen.
Dabei pressten die Achter Ljubicic und Kainz, wie im vergangenen Ligaspiel gegen den BVB, die Außenverteidiger. Ballfern wurde ebenfalls eingerückt, um fallende Offensivspieler aus der letzten Linie aufzufangen. Shkiri agierte klassisch im Raum vor der Kette und füllte diese situativ auf, wenn Schmitz/Hector Stindl/Hofmann mannorientiert begleiteten.

Besonders Manu Kone war in der Anfangsviertelstunde im tiefen Aufbauspiel mit seinen progressiven Dribblings Antreiber, der das Pressing, mittels den vorhin beschriebenen fallenden Offensivspielern in Halbräumen, brach, die als „Lockmittel“ verwendet wurden, um die letzte Linie zu öffnen.

Generell hatten die Fohlen einen ruhigen Fuß und waren sehr geduldig im Ballbesitz, sodass diese regelmäßig über Sommer verlagerten. So lange, bis dieser selbst ballfern verlagern konnte, wenn Köln so weit ballnah rausschob, dass die ballfernen Achter, die einrückten, die Pressingwege auf die Außen nicht mehr konsequent und schnell genug gehen konnten.
Dabei bewies vor allem Friedrich eine konstant-gute Positionierung im Absetzen, um Scally und Co. die Passoptionen auch am Flügel zu gewährleisten.
Zudem schoben meist beide Sechser (Weigl erst als Rautenspieler, dann stark auf Ballseite schiebend) mit auf die Ballseite, sodass die Wege von innen nach Außen für Kölns Achter zusätzlich lang wurden.

Beschriebenes Szenario; Sommer fand Bensebaini in der Verlagerung, der auflösen und Thuram einsetzen konnte. Erste Torchance der Fohlen – 9´.

Welche Probleme hatten beide Teams, respektive: Wie haben die Teams verteidigt, um das eigene Defensivdrittel zu verteidigen?

Köln schob im Laufe der Halbzeit ihre Außenverteidiger hoch – teils in letzter Linie, sodass diese versuchten, Scally und Bensebaini breit zu ziehen, um gleichzeitig Halbräume zu öffnen.
Gladbach schaffte es jedoch, auf Ballseite personelle Überzahl herzustellen, in der vor allem die zentralen Spieler (Ballnaher Stürmer – i. d. F. Kramer; Ballnaher Sechser – i. d. F. Weigl) die Wege frühzeitig erkannten und mitgingen.
So isolierte sich der FC früh am Flügel, weil keine Passwinkel mehr gegeben waren (Skhiri mit kleinem Bewegungsradius; Distanzen innerhalb der Linien nicht für flache Pässe geeignet – eher für lange Bälle, die abgelegt werden).

Die Fohlen hatten das identische Problem, wenn sie mit Ball zu langsam verlagerten und Köln ebenfalls auf Ballseite Überzahl schaffen konnte.

Stindl versuchte mal im diagonalen Fenster, sonst im Tiefgang, dieses zu öffnen, war jedoch von Skhiri im Raum abgesichert worden, um ein mögliches Zuspiel zu verhindern.

Schafften es die Fohlen, Köln auf eine Seite anzulocken und mittels 2-3 Kontakten auf die ballferne Seite zu verlagern, dann öffneten sich auch diagonale Passfenster in Halbräumen, die Stindl besetzte.

Auf Ballseite gelockt; Schnelle Verlagerung und Halbraum im Angriffsdrittel gefunden

Die zweite Halbzeit: Der FC in Unterzahl; BMG gierig

Der FC veränderte in Unterzahl lediglich die Pressinghöhe, sonst blieben die Automatismen relativ ähnlich. Maina musste als Stürmer weitere Wege gehen, als sonst, da er das Pressing auf den IV aus 4-3-1-1 Strukturen, weiterhin aufrecht erhielt, dabei den AV ebenfalls unter Druck setzen musste.

Gladbachs Vorteil machte sich vor allem in der Herangehensweise im Anlaufverhalten bemerkbar. Die Fohlen konnten sich deutlich frühere Pressingauslöser und ein aggressiveres Anlaufen leisten, in der sie in vorderen Zonen Mann auf Mann pressten, im Wissen, dass sie in letzter Linie Überzahl haben werden.
Die zwei Gegenpressing-Momente vor dem 3:1 zeigen zudem, wie gierig die Borussia aus der Halbzeit kam, und sich gleich dafür belohnte.

Fazit: Gladbach ist bei sich geblieben!

In der Nachanalyse zum Auswärtsspiel in Bremen formulierte Deniz im Schlussfazit:
„Die Niederlage kann ein Weckruf für alle sein, welcher besagt, dass jeder einzelne und im gesamten als Team, tagtäglich an ihre Leistungsgrenze gelangen muss, um als Borussia Mönchengladbach eben auch in Bremen konkurrenzfähig zu sein; jedoch hatte diese Niederlage nichts mit den Totalausfällen aus der vergangenen Saison zu tun – weder individuell, noch gruppentaktisch und sowieso nicht von der „Mentalität“.

Die Borussia bewies, dass die ersten 20 Minuten in Bremen ein Betriebsunfall waren. Ein Betriebsunfall, bei dem man überrollt wurde.
Gegen Köln bewies die Mannschaft, dass sie dem Matchplan taktisch höchstdiszipliniert folgen und mental stark genug waren, um auch nicht nach dem sehr schnellen Ausgleichstreffer, ins Grübeln zu geraten.
Die Borussia hatte im Pressing ihre beste Phase eine Viertelstunde vor der Halbzeit, also unmittelbar nach dem Gegentreffer, in der die Fohlen im vorderen und mittleren Drittel durchschnittlich lediglich 4 Pässe zuließen, ehe es zu einer Defensivaktion kam.


Die wichtigste Botschaft ist jedoch:

Die Borussia ist bei sich geblieben!

Sie haben sich nicht auf das Niveau des Köln-Spiels runter ziehen lassen und sind im Ballbesitz – trotz der qualitativ hochwertigen Pressingstruktur- und Organisation des FC – nie nervös geworden.

Das beweist die Passmap der Elf von Daniel Farke. Die Passlinien zwischen Friedrich, Sommer und Elvedi sind besonders auffällig; genau so, wie die Einbindung der Außenverteidiger, die ebenfalls nicht die Scheu hatten, das Spiel zu kontrollieren und auf den Moment zu warten.

Das ist eine sehr wertvolle Erkenntnis, da dies in einer „Extremsituation“ (Derby + 1:5 Niederlage) ausgeübt worden ist.
Das zeigt, dass die Mannschaft gefestigt und bereit ist, weitere inhaltliche Entwicklungsstufen zu gehen.

Eine Antwort auf „DERBYSIEG! Fohlen kontrollieren sich zum Sieg – Spieltaktische Analyse“

Tja, die Entwicklungsstufen…
Erstmal war es beruhigend zu sehen, dass die Mannschaft die Kritik und Verbesserungen des Trainerteams nach dem Bremen-Spiel so gut umgesetzt hat.
Was kann noch verbessert werden?
Vor allem in der 2. Halbzeit fand ich, dass wir uns zwischen dem 3:1 und dem 4:1 nicht die Geduld gaben, um den FC weiter mit ballsichernden Strukturen zu bespielen. Dies ging dann auf Kosten der Sauberkeit im Passspiel – es wurde sowohl aus dem Zwischenlinienraum im 2. Drittel als auch von der Position des rechten AV zu schnell nach vorne gespielt. Ergebnisse waren Ballverluste, Pässe über die Grundlinie ins Aus oder dass wir keine nachrückenden Strukturen für die Boxbesetzung entwickeln konnten. Es ist natürlich unrealistisch, dass man jeden Angriff gegen Unterzahl strukturiert ausspielen kann, weil der Gegner einen hohen athletischen Aufwand betreibt und sehr ballorientiert verschiebt, aber das war strukturell zu inkonstant, indem man weiter anlockt, verlagert und Breite gibt.
Also, wichtig wird sein, dass wir weiter an unserer neuen Identität arbeiten, Abläufe festigen und Verbesserungen verinnerlichen und ausarbeiten mit dem Ziel: Ballbesitz und Spielkontrolle > Spektakel.

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