Ein Beitrag von Marc (@ZonalMarc) und Tobi (@BoekelBlog)
Nun ist es also da: Das erste Novemberwochenende ohne Erst-, Zweit- und Drittligafußball in Deutschland. Aus Fansicht fühlt es sich immer noch ziemlich komisch an und es ist noch schwer vorstellbar, dass wir in den kommenden zehn (!) Wochen auf professionellen Clubfußball in Deutschland verzichten müssen.
Wohin also mit all der Fußball-Begeisterung, wenn der Borussia-Park am Samstag leer bleibt und auch anderswo in der Bundesliga kein Ball rollen wird? Da die ersten drei Ligen in Deutschland pausieren, liegt es aus Borussia-Fansicht natürlich nahe, sich mit der vierten Liga – der Regionalliga West – und dem dort spielenden Borussia-U23-Team zu beschäftigen. Es ist schön zu sehen, dass wir bei BorussiaExplained diese Idee nicht allein haben und dass mittlerweile viele (organisierte und nicht organisierte) Fans angekündigt haben, die U23 in den kommenden Wochen zu unterstützen und zu verfolgen.
Borussias U23 und der gesamten Regionalliga West stehen also Wochen im ungewohnten Rampenlicht bevor. Ein guter Zeitpunkt für @ZonalMarc und @BoekelBlog, um Borussias U23 und die Regionalliga West genauer vorzustellen – und auch für ein Plädoyer, sich unabhängig von der unnötig langen Winterpause in diesem Jahr noch mehr für die Liga und Borussias höchstes Nachwuchsteam zu begeistern.
Regionalliga what?
Die Regionalliga West ist eine von insgesamt fünf Regionalligen und besteht in ihrer jetzigen Form seit 2012. Im eigentlichen Sinne handelt es sich um eine NRW-Liga, da in der Regel nur nordrhein-westfälische Teams in die Liga zugewiesen werden. Leider gibt es für die insgesamt fünf Regionalligen in Deutschland nur vier Aufstiegsplätze in die 3. Liga, sodass Borussias U23 trotz der Regionalliga-Meisterschaft im Jahr 2015 nicht aufsteigen durfte – in den Aufstiegs-Playoffs gegen den Meister der Regionalliga Nord unterlag man damals Werder Bremen II knapp in der Verlängerung. Mittlerweile hat die Regionalliga West nach langem Hauen und Stechen aber einen festen Aufstiegsplatz erhalten – wer die Liga gewinnt, steigt also fix in die 3. Liga auf.
Dass die Regionalliga West einen festen Aufstiegsplatz erhalten hat, während die Meister der Regionalligen Bayern, Nord und Nordost weiter regelmäßig Playoffs spielen müssen ist zwar einerseits sehr unfair – es wird andererseits aber mit der hohen Qualitätsdichte in der Regionalliga West begründet.
Was macht die Regionalliga West aus?
Die Regionalliga West gilt als die wohl stärkste der fünf Regionalligen und galt zwischenzeitig als regelrechter „Friedhof für festgefahrene Traditionsvereine“. Auch in dieser Saison ist die Besetzung der Liga trotz der Ligawechsel von Rot-Weiss Essen und dem KFC Uerdingen sehr namhaft: Alemannia Aachen – für Borussia noch 2008 ein Lokalrivale auf Augenhöhe – steckt mit seinem bundesligatauglichen Stadion schon seit 2013 in der kompetitiven Regionalliga fest. Genauso lang ist auch der ehemals etablierte Zweitligist Rot-Weiß Oberhausen schon dabei. Das dritte und vielleicht größte Schwergewicht der Liga ist aber Preußen Münster. Nach dem Drittligaabstieg vor zwei Jahren sind die Preußen wohl im zweiten Anlauf Topfavorit auf den Wiederaufstieg.
Darüber hinaus sind aber auch mit Fortuna Köln, dem Wuppertaler SV, der SG Wattenscheid 09 und auch mit Marco Reus‘ Ex-Club Rot Weiss Ahlen etliche Jahre Profifußball-Vergangenheit in der Liga versammelt. Leidgeprüfte Boruss:innen erinnern sich vielleicht noch düster an fiese Zweitliganiederlagen gegen Ahlen um die Jahrtausendwende…
Neben Borussias U23 und den (mehr oder weniger) ambitionierten Nachwuchsteams von Köln, Schalke und Düsseldorf sind mit Straelen und Bocholt auch die niederrheinische Provinz und das deutsch-niederländische Grenzland in der Liga vertreten: wie die meisten der übrigen strukturell eher kleineren Vereine wird auch der SV Straelen finanzkräftig unterstützt, um im Wettbewerb mit der überwiegend in Profistrukturen arbeitenden Konkurrenz bestehen zu können. Auch der 1. FC Bocholt konnte nach seinem Aufstieg im Sommer mit Hilfe finanzstarker Sponsoren stolze 13 Neuzugänge aus ganz Deutschland ins Münsterland lotsen.
Man darf also davon ausgehen, dass auch bei den „kleineren“ Adressen in der Regionalliga West verhältnismäßig viel Geld im Spiel ist und dass auf Viertliganiveau von Amateursport im eigentlichen Sinne nur noch sehr selten die Rede sein kann.
Trotzdem ist das Stadionerlebnis in der Regionalliga ein anderes und für Fußball-Puristen ein Genuss: Wer zwischendurch auch mal eine moderne Arena mag, der könnte am Tivoli in Aachen Gefallen finden. In Oberhausen, Wuppertal und Wattenscheid gibt es dagegen passabel in Schuss gehaltene Old-School-Stadien klassischen Stils, die noch viel von dem spröden Charme früherer Jahre versprühen und die auch bei den Bierpreisen zehn Jahre Rückstand gegenüber der Bundesliga haben. In Straelen, Kaan-Marienborn oder Düren sieht das „Stadion“ dann auch mal eher nach einem Sportplatz aus – die Bandbreite ist groß.
Aber genug Werbung für die Regionalliga West. Was darf man denn überhaupt von Borussias U23 erwarten? Inwiefern ähnelt das Spiel der zweiten Mannschaft unter Neu-Trainer Eugen Polanski vielleicht dem des Profi-Teams? Welche Unterschiede sind vielleicht auszumachen?
Was erwartet uns sportlich?
Zwar bietet die Regionalliga qualitativ sicherlich nicht ganz so viel, was wir aus der Bundesliga gewohnt sind. Dennoch sind die obigen Schilderungen wohl Grund genug, diese Liga eben nicht als bessere Kreisliga zu sehen.
Genau Gegenteiliges ist der Fall. Die Regionalliga mit all ihren Zweitvertretungen wie Borussias und namenhaften traditionsreichen Vereinen wie Alemannia Aachen oder Preußen Münster bietet sowohl Emotionalität als auch Fans, die Stimmung machen.
Viel relevanter und wichtiger zu verstehen ist, dass diese Liga sportlich durch taktischen Fußball und weniger durch rein ergebnisgetriebenen Fußball glänzen möchte.
Michel Lieder sagte zuletzt im exklusiven Interview auf BorussiaExplained.de auf die Frage, ob er vielleicht lieber 3. Liga statt der Regionalliga spielen wollen würde: „Müsste ich nur lange Bälle schlagen, dann würde mir Fußball weniger Spaß machen.“
Dies zeigt ganz gut, was der Ansatz vieler Teams in der Regionalliga West ist. Nicht der gepflegte, lange Ball, aber zugegeben auch nicht immer der kreative Ansatz. Viele Teams stellen sich zwar nicht hinten rein, aber lassen lieber dem Gegner den Ball und versuchen nach Ballgewinn schnell umzuschalten.
Das Team von Eugen Polanski versucht dabei bislang immer aus einem guten Ballbesitzspiel im 4-2-3-1 mit 2-3 Aufbaustruktur zu agieren.

Selten ist dabei der lange Ball das Stilmittel der Wahl. Vielmehr wird darauf gesetzt, die Spieler in den freien Halbräumen zu finden und das Spiel durch geduldiges Verlagern und Vorbereiten der Situationen in die eigene Richtung zu lenken.
Gegen Lippstadt zum Beispiel gelang der Mannschaft von Eugen Polanski dies in den ersten 45 Minuten nur selten und dennoch blieb man geduldig und ging durch etwas Spielglück in Führung. Mit mehr Selbstvertrauen, einer Umstellung im Aufbau auf 3-1 Struktur und den sich daraus bietenden Räumen wusste das Team dann technisch zu überzeugen und spielte sich ein am Ende hochverdientes 4:2 heraus. Ein Zeichen für die taktische Flexibilität und die Anpassungsfähigkeit des Teams.

Auch in Spielen gegen die Zweitvertretung von Fortuna Düsseldorf (3:0) oder gegen Preußen Münster (1:1) überzeugte das Team auf ganzer Linie. Punkte wurden bislang eher gegen die Teams aus der unteren Tabellenregion abgegeben – etwas was Eugen Polanski nicht freuen dürfte. Zuletzt nahm die Konstanz in den Leistungen, vor allem mit Ball, zu und man verdiente sich auch späte Punkte, wie zum Beispiel im Topspiel bei Rödinghausen, als die Fohlen in der 90. Minute den Siegtreffer erzielten.
Gegen den Ball versucht das Team es meist ähnlich wie die Profis, im 4-4-2 zu lösen, gepaart mit einem Mittelfeldpressing mit besonderem Fokus auf die gegnerischen Außenverteidigerpositionen.
Was erwartet uns für Spielermaterial?
Zwar sieht man in der Regionalliga nicht die großen Namen der Bundesliga und auch die Borussia spielt bekanntlich nicht mit Thuram oder Pléa in diesem Team, jedoch ist das Team von Trainer Eugen Polanski und Co-Trainer Tobias Trulsen in dieser Saison nicht durch große Einzelleistungen aufgefallen, sondern mehr um mannschaftliche Kompaktheit und Geschlossenheit.
Spieler der Lizenzmannschaft wie Fraulo, Reitz, Noß, Borges Sanches oder Müsel sind regelmäßig für Borussias Zweitvertretung im Einsatz, jedoch sind auch diese meist gut integriert und stehen weniger durch individuelle Klasse heraus als mehr durch das Mitwirken im großen Ganzen.
Mit Semir Telalovic hat das Team einen Stürmer, der zuletzt häufiger getroffen hat, mit Spielern wie Kapitän Lieder oder Lockl aber auch erfahrene Spieler, die vorangehen. Abgerundet wird das ganze mit einigen vielversprechenden Talenten, wie zum Beispiel Jamil Najjar, Phil Kemper oder auch Kushtrim Asallari.
Alles in Allem kann man von einer gut ausbalancierten Mannschaft sprechen, was sich auch in den Leistungen auf dem Platz widerspiegelt.
Worauf wir uns freuen können..
Neben hoffentlich weiterhin gutem, attraktiven Fußball können sich die Fans auf traditionsreiche Stadien wie zum Beispiel am 3. Dezember um 14:00 in Oberhausen freuen. Zudem wird die Stimmung durch den Support der aktiven Fanszene mit Sicherheit bei Heim- und Auswärtsspielen sehr gut.
Wenn das Team weiterhin ähnliche Leistungen wie zuletzt zeigen kann, werden wir schöne Spielzüge, tolle Tore und viele Siege live erleben können.
Eintritt frei für Mitglieder bei Heimspielen sollte einen Besuch wert sein – die Mannschaft hat es sich definitiv verdient.
Wir sehen uns im Grenzlandstadion!