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Bocholt vs. Borussia II – spieltaktische Analyse

Ein verdeinter 4:3 Erfolg, der unnötig spannend wurde und beinahe schief gegangen wäre. Warum das so war, nachfolgend zu lesen.

Gegenpressing in den ersten Minuten

Bocholt wird früh genervt, guter Impuls des Gegenpressings. 2vs1 in letzter Linie, davor 1vs1 Struktur mit Möglichkeit zum Vorwärtsverteidigen. Dank der guten Struktur im Ballbesitz zu Beginn, kann das Gegenpressing sofort gefahren werden.

In dem oberen Screenshot sieht man Michel Lieder, der nach Ballverlust vorwärts verteidigt und einen guten Winkel bietet, sodass der Bocholter nur klatschen lassen kann oder in Lieder dreht.
Oscar Fraulo muss ihn dafür in der Tiefe im Rücken sichern, um das Überspielen nach Klatschball von Bocholt zu verhindern.
Auch wenn es in der Szene nicht schief geht, ist die Gier von Fraulo falsch, da man mit Najjar bereits 1vs1 in letzter Linie steht, Lofo sehr zentral steht und wenig am Flügel helfen kann.

Strukturelle Probleme im Ballbesitz in letzter Linie

Bocholt läuft im 4-4-2 an. Reaktion mit 3-1 war gut, aber die Entscheidungsfindung war nicht immer die Richtige.


Negativbeispiel in HZ2, wo man im Aufbau über Najjar den freien Fuß für die Verlagerung auf Lieder via Lofolomo finden kann oder aber den riskanten Weg über Phil als flachen AV gehen könnte, entscheidet Najjar dreimal zu verzögern und wird erfolgreich gepresst.

Zudem war grade in der ersten Halbzeit im Ballbesitz von Olschowsky zweimal die Geduld ein essenzielles Thema. Unten ist ein Beispiel aufgeführt, wo Olschowsky Kemper auf flacher Außenverteidierposition in den Fuß wirft, obwohl Bocholt auf dem Sprung ist und direkt pressen kann. Resultat hier: Einwurf, also umkämpfter Balbesitz, statt mit Geduld des Torwartes Ballbesitz in eigener letzter Linie.

Da Bocholt viel mit langen Bällen agierte, gab es automatisch (bei den Platzverhältnissen) umkämpfte Ballbesitzphasen Höhe der Mittellinie. Die Entscheidung war dabei wie im untenstehenden Beispiel teilweise sich auf die gegnerische Spielweise einzulassen anstatt den Ballbesitz in eigener Linie 1 zu sichern.

Gute, erfolgreiche Muster

Sehr auffällig war natürlich das diagonale Einlaufen von Mika Schroers, besonders in HZ1, aus der rechten Flügelposition bei eigenem Ballbesitz auf halblinker Position. Er wurde mit seinem Tor belohnt und zwei andere gute Gelegenheiten entstanden aus diesem Muster.
Besonders im Einlaufen aus diagonaler Position zwischen die Innenverteidiger des Gegners wäre jedoch ein stärkeres Binden vorab von Semir Telalovic noch erfolgreicher. (siehe Bild unten)

Auch die diagonalen Spieleröffnungen funktionierten meist gut. Allerdings gilt auch hier, dass man mit etwas krasserer Ausprägung mehr Erfolg generieren könnte. Wie im unteren Bild zu erkennen, startet YBS erst ein, als der Flugball gespielt ist und der Verteidiger diesen einschätzen kann. Somit bindet er seinen Gegenspieler nicht mehr, sondern läuft einfach so ins Leere.
Mit besserem Timing (Laufweg starten, dann Flugball spielen) öffnet er für Phil Kemper im Rücken des Außenverteidigers noch mehr die ballferne Seite.

Auch dieses Muster zeigte man häufiger. Nach dem Dreiaufbau mit diametral abkippendem Fraulo, um 3vs2 in erster eigener Linie zu haben, kommt Mika Schroers in der Halbraum und zieht den gegnerischen 6er extrem raus. Simon Walde versucht ihn dann, trotz Gegnerdruck im Rücken im Fuß anzuspielen.
Stattdessen über Lofolomo als Wandspieler im Klatsch-Steil Mika in den selbst erarbeiteten Raum zu bringen oder gar über YBS ballfern zu verlagern ist weniger Risiko und gibt dem Gegner keine Chance auf den Ballgewinn.

Entscheidungsfindung im Umschaltspiel

Wesentlicher Grund, warum man das Spiel lange offen hielt, war besonders die Entscheidungsfindung im Umschalten nach eigenem Ballgewinn. In Halbzeit 1 lassen sich zwei gravierend falsche Entscheidungen, beide von Lofolomo, finden. Nachfolgend die beiden nahezu identischen Szenen.

In beiden Situationen muss BMG in die Überzahl spielen und dann den direkten vertikalen Weg finden. Stattdessen entscheidet man sich einmal für eine zu lange Ballbesitzphase und lässt den Gegner in den Zweikampf kommen (Bild 1) und beim anderen Mal wählt man die horizontale Variante statt der vertikalen. In beiden Situationen wäre jeweils eine klare Überzahl da gewesen, da geht mehr.

So auch in Halbzeit 2, wo sich ebenfalls 2 Umschaltsituationen ergaben. Im untenstehenden Bild wäre grün der bessere Passweg, da klares 2vs1 in letzter Linie. Stattdessen wird der rote Ball ins Laufduell von Telalovic und dem letzten Verteidiger der Bocholter gespielt. Resultat hieraus ist zwar ein Abschluss, aber kein klares 2vs1 mit hoher Großchancewahrscheinlichkeit.
Die Szene aus der Nachspielzeit ist hierbei ausgelassen, weil die Entscheidungsfindung bis in die Box gut war und ein Querlegen bzw. Ablegen das sichere 5:3 bedeutet hätte.

Beim zwischenzeitlichen 3:3-Ausgleich trifft Semir eine gute Entscheidung, er spekuliert auf das Verlängern von Kader.
Das Phil dieses Tor macht, spricht mehr für Beckhoff, der die Situation erkennt und Telalovic mit dem guten Zuspiel als für die Bocholter, die den Laufweg zu spät aufnehmen.

Warum das Spiel trotzdem lange eng ist..

Ein paar einfache Fehler halten Bocholt lange im Spiel und lassen sie immer wieder gefährlich werden.

Der gravierendste Punkt sind die teilweise zu großen Abstände im eigenen Umschaltspiel. Wie im oberen Bild zu sehen sind teilweise 30 Meter Abstand zwischen 6 und letzter eigener Linie. Zu gefährlich, falls der Ball in der Vorwärtsbewegung verloren geht.

Steht man jedoch gut in 3vs2 Überzahl in der Restverteidigung ist auch eine gute Entscheidungsfindung im Moment des Ballverlustes essenziell, wie sie nicht immer stattfand. Im unteren Bild ist ein solches Beispiel aus Halbzeit 1. Nach Ballverlust steht Lofolomo zwischen gegnerischer 8 und 9 1/2. Das breite Öffnen von Letzterem kann er nicht lenken dadurch und auch Najjar ist nicht mutig genug im Stellen. Durch die Art des Aufbaus mit hohen Außenverteidigern, teils asymmetrisch, muss ein mutiges Vorwärtsverteidigen inklusive Verhindern des offenen Drehens im Halbraum geführt werden. Wird dies verpasst, läuft man wie im Beispiel in den Konter.

Bocholt versuchte immer wieder die eigene linke Seite zu überladen.

Sofern Mika zu hoch stand, wie im oberen Beispiel, kam Simon ins Zweifeln beim Anspiel auf den hohen Außenverteidiger. In dem Beispiel entschied er sich zum Anlaufen, was durch fehlende Höhe seinerseits dazu führt, dass der Außenverteidiger offen drehen kann und Bocholt den Raum in Walde´s Rücken attackieren kann vom Halbraum weg. Lieder muss in der Folge raus und Bocholt kann den Abschluss generieren.

Mika Schroers fing sich allerdings im Positionsspiel gegen den Ball. Wie im Bild oben zu sehen, fand er zunehmend eine bessere, tiefe Position aus der er auf dem Sprung sowohl den Halbraum schloß, als auch den Ball auf den hohen Außenverteidiger attackieren konnte, da Telalovic mehr Druck auf den ballführenden Innenverteidiger erzeugte. Deutlich bessere Strukur mit weniger Gefahr in der Tiefe.

Sofern Bocholt dennoch mal im Halbraum offen drehen konnte, versuchten sie schnell in die Tiefe zwischen Najjar und Lieder zu kommen. Ersterer pennt in der Situation und nimmt den Laufweg nicht auf, sondern steht lange frontal und kommt nicht ins vertikale Laufduell. In der Summe zu viel Angebote für eine ansonsten recht schwache Bocholter Mannschaft.

Fazit: Ein verdienter Sieg, aber..

..eine unnötig knappe Angelegenheit, die auch anders hätte ausgehen können. Die Entscheidungsfindung im Umschaltspiel und die Struktur gegen den Ball muss konsequenter durchgezogen werden, dann werden solche Spiele zukünftig klare, ungefährdete Siege.

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