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Belastungssteuerung rund um den Spieltag

Warum Ruhetage wichtig sind

Ein Beitrag von Marc.

@MarcSanders0803

Nahezu jeder Trainingsplan einer Trainingswoche beinhaltet ein oder gar zwei freie Tage am Anfang einer Woche, wenn am Wochenende Spieltag war. Warum ist das so?

Zunächst einmal ist hier wichtig zu verstehen, dass die folgenden Erklärungen nicht universell gültig sind und immer von individueller Anpassung an die Mannschaft, aber vor allem auch die eigenen Spieler ergänzt wird. Das Wort Belastungssteuerung wird häufig verwendet, ohne dass wir es groß hinterfragen und gilt für viele nur als Synonym für Pause.


Die Beurteilung der Belastung


Belastung ist nicht immer gleich Belastung. In jeder Saisonvorbereitung steht ein Laktattest an, um die Leistungsfähigkeit eines jeden Spielers individuell bemessen zu können. Aus den hier gewonnen Erkenntnissen lassen sich dann so genannte Benchmarks erstellen. Diese Benchmarks sind richtungsweisende Werte, die ein Spieler erreichen kann bzw. soll. Während ein Spieler vielleicht viele Läufe im mittleren Tempo besser verkraftet als viele kurze Sprints, verarbeitet ein Weiterer kurze Sprints besser als viele durchschnittliche Läufe. Positionsspezifisch lässt es sich oft runterbrechen auf laufintensivere Positionen, wie z.B. ein zentraler Mittelfeldspieler oder Flügelverteidiger und weniger laufintensivere Positionen, wie z.B. einen Innenverteidiger. Natürlich hängt dieses Profil auch immer davon ab, wie ein Team im Ballbesitz und gegen den Ball arbeitet, aber es werden nie alle Spieler dieselbe Intensität und Kilometeranzahl im Spiel haben.
Die Benchmarks können also variieren von Laufleistung allgemein über intensive Läufe (Sprints) bis hin zu vielen Aktionen auf engstem Raum mit oder gegen den Ball (dem sogenannten Power Play).

Der Weg hin zum Spieltag


Um die Belastungssteuerung nach dem Spieltag zu verstehen, ist es wichtig zunächst zu beleuchten, wie die Vorbereitung auf einen Spieltag aussieht. Ziel eines Trainerteams ist es immer die Mannschaft für den Spieltag auf das ideale Fitnessniveau zu bringen und alle Spieler möglichst in optimaler Verfassung zur Verfügung zu haben.

So startet eine Trainingswoche meist mit einer nicht allzu intensiven Einheit, um die Spieler nach vorangegangener Ruhephase erst wieder in den Rhythmus zu bringen. Darauf folgen Einheiten mit höherer Belastung und kurz vor dem Spieltag einige taktisch anspruchsvolleren Einheiten mit etwas weniger Intensität, um die Energiespeicher vor dem Spiel nicht zu leer werden zu lassen. Am Spieltag selbst folgt dann in der Regel ein „Anschwitzen“, das lediglich zur Aktivierung des Herz-Kreislauf-Systems gilt und keine Belastung in Trainingsintensität darstellt.


Der Spieltag


Auch am Spieltag lässt sich nicht pauschalisieren, wie hoch die Belastung für den Einzelnen ist. Je nach Spielverlauf und Intensität des Spieles ist die Belastung unterschiedlich hoch. Hierbei ist zwingend zu unterscheiden zwischen körperlicher und psychischer Belastung. Verliert man ein Spiel deutlich und hatte weniger Intensität als üblich, so kann dies viele Gründe, aber auch Auswirkungen haben.

Die Gründe könnten zum Beispiel darin liegen, dass die Belastung der Trainingswoche zu hoch war oder aber, dass die Vorbereitung nicht ideal war (beispielsweise bedingt durch schlechten Schlaf oder eine leichte Krankheit).

Die Auswirkungen eines verlorenen Spieles wie dem in Bremen mit relativ wenig Laufleistung (siehe unten) können jedoch unter Umständen gravierender sein als die eines körperlich anspruchsvollen Spieles mit einem positiven Ergebnis. So brauchen manche Spieler mehr Zeit die Enttäuschung einer Niederlage als die körperliche Belastung eines gewonnenen Spiels zu verarbeiten.

Der Zeitpunkt des Spiels und die Auswirkung
auf die Regeneration


Bei der Betrachtung der freien Tage am Anfang einer Woche ist es eminent wichtig zu beleuchten, wann das Spiel stattgefunden hat. Am Beispiel des vergangenen Auswärtsspiels der Borussia in Bremen am 01. Oktober samstagabends um 18:30 Uhr lässt sich das Ganze gut darstellen.

Quelle: Bundesliga.de

In Bremen hat die Borussia gemessen an ihren übrigen Saisonauftritten in Sachen Laufleistung und Sprints leicht unter Durchschnitt performt. Durch die späte Anstoßzeit und dem Abpfiff gegen 20:30 Uhr ist die Mannschaft erst gegen 21:30 Uhr abgereist. Daraus ergibt sich inklusive Heimreise der einzelnen Spieler eine ungefähre Ankunftszeit in Gladbach kurz nach Mitternacht. Jeder Spieler wird somit erst mitten in der Nacht zuhause angekommen sein und vermutlich – wie üblich – nicht sofort zur Ruhe gekommen sein und in den Schlaf gefunden haben. Von erholsamer Schlafqualität kann hier wohl nicht mehr die Rede sein – zumal einige Spieler auch dank ihres Nachwuchs recht früh wieder wachgewesen sein dürften.

Üblicherweise ist am Tag nach dem Spiel eine regenerative Einheit angedacht – so vermutlich auch in diesem Fall. Wegen der späten Abreise ist es aber unrealistisch, dass die Spieler am Montag bereits vollständig regeneriert haben. Deshalb wird die Regeneration auf zwei Tage gestreckt.

Zudem folgt das Spielerersatztraining einem anderen Rhythmus, mit dem man bestrebt ist, die nicht eingesetzten Spieler „matchfit“ zu halten. Gemeint ist hiermit, dass sie ungefähr derselben Belastung ausgesetzt werden sollen, wie die Spieler, welche am Vortag im Einsatz waren. Daher finden sowohl intensive Läufe nach Abpfiff des Spieles als auch eine intensive Einheit am Folgetag statt, mit der die Belastung der eingesetzten Spieler ungefähr repliziert wird, sodass alle Spieler nahe an ihren persönlichen Benchmarks bleiben – und somit auf demselben Fitnesslevel und einsatzbereit sind.


Die freien Tage


Wie ein Spieler seine freien Tage verbringt, bleibt vermutlich zum größten Teil ihm überlassen. Jeder Spieler hat ein individuelles Bedürfnis nach persönlicher Regeneration. Auch die Spieler des Spielerersatztrainings müssen nach diesem regenerieren, da die körperliche Belastung ähnlich hoch war wie die der eingesetzten Spieler. Einzig die psychische Belastung unterscheidet die beiden Parteien.

Daher startet die Trainingswoche je nach Spieltermin nach ein bis zwei vollständig freien Tagen mit demselben Zyklus, der anfangs beschrieben wurde. Bei einem Samstagabendspiel wie in Bremen würde die Vorbereitung für das nächste Spiel also am Dienstag beginnen.
Idealerweise sind alle Spieler zu diesem Zeitpunkt gut regeneriert und im Vollbesitz ihrer körperlichen und geistigen Fähigkeiten.

Es geht also an der Sache vorbei, wenn man glaubt, dass die Spieler frei bekämen, weil der Trainer nicht trainieren will oder wenn man sich empört, weil nach einer Niederlage mehr oder härter trainiert werden müsste. Die Spieler mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen brauchen die Zeit, um für den nächsten Spieltag am kommenden Wochenende körperlich und geistig ideal vorbereitet zu sein.

Denn auch bei der Belastungssteuerung gilt: Wichtig ist immer das nächste Spiel!

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